: Alte bieten berufliche Zukunft
Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt, weil die Gesellschaft altert. Der Bedarf an geschulten Helfern steigt damit auch. Vor allem für Selbstständige entwickelt sich ein Markt. Doch der Job ist hart. Das liegt auch am staatlichen Sparkurs
VON MARTINA JANNING
Wenn jemand sagt, dass er Menschen helfen will, horcht Jörg Peter auf. „Das reicht nicht, um Altenpfleger zu werden“, sagt der stellvertretende Leiter des Instituts für angewandte Gerontologie in Berlin. Gefragt seien gute kommunikative Fähigkeiten, sehr hohe Flexibilität und eine relativ stabile Gesundheit. „Altenpfleger sollten Menschen ganzheitlich sehen, nicht nur von der Krankheitsseite her“, ergänzt Cornelia Meyer-Wilmes von der Berliner Lazarus-Berufsfachschule für Altenpflege. „Pflege ist ein kreatives Geschehen!“
Klingt gut – und Bedarf gibt’s auch. Schon jetzt fallen moderne Pflegekonzepte und verkürzte Verweildauern in Krankenhäusern ins Gewicht; in den kommenden Jahren wird die Zahl pflegebedürftiger Menschen stetig steigen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, dass allein bis 2010 rund 250.000 neue Arbeitsplätze in der Altenpflege entstehen. Heute arbeiten etwa 84.000 staatlich anerkannte Altenpflegerinnen und Altenpfleger in Heimen und rund 26.000 bei ambulanten Diensten. Die Strukturen in der Altenpflege werden sich ändern, glaubt Holger Knörr, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbandes für Altenpflege (DBVA). „Möglicherweise gibt es in Zukunft weniger Angestelltenjobs in Heimen. Doch als Selbstständige werden Altenpfleger viele Möglichkeiten haben.“
Vor allem Altenpflege-Umschüler haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, fand eine Studie heraus, die die Stiftung Warentest vergangenes Jahr in Auftrag gab. Danach finden rund 90 Prozent einen Job. Der Grund: Umschüler profitieren von ihrem Plus an Lebenserfahrung. Sie seien oft besser auf die physischen und psychischen Belastungen der Altenpflege eingestellt. Nach Meinung befragter Ausbilder liegt das daran, dass viele bereits mit den schwierigen Seiten des Berufs wie Krankheit und Tod in Berührung gekommen sind. Derzeit ist ein Drittel der rund 22.000 Altenpflege-Schüler älter als 32 Jahre. Jedoch sei mehr Lebenserfahrung nicht per se von Vorteil, warnt Meyer-Wilmes. Dann sei die Gefahr größer, dass Pfleger den Beruf zu nah an sich heranließen: „Morgen liege ich da.“
Viele Gepflegte bevorzugen überdies jüngere Pflegekräfte, beobachtet die stellvertretende Schulleiterin. „Sie fühlen sich durch sie aufgewertet.“ Arbeitgeber übernehmen deswegen gern Erstausgebildete – auch weil sie unabhängiger seien und „nicht immer auf Frühdienst erpicht sind“. Für Umschüler spräche indes ein höheres Verantwortungsbewusstsein, weiß Peter. „Sie bleiben außerdem länger bei einem Arbeitgeber.“ Wer Jahre ohne Job war, schmeißt einen neuen meist nicht so schnell hin.
Fachleute sind sich einig: Altenpfleger ist ein Beruf mit Zukunft – um seine Gegenwart steht es aber weniger gut. Der DBVA fürchtet, dass die Ausbildung ausgedünnt wird. Kürzungen der Länder und weniger Praktikumsplätze brächten die Berufsfachschulen ebenso unter Druck wie Änderungen bei der Finanzierung von Umschulungen. So beschloss die Bundesregierung 2005, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) nur noch zwei Jahre einer Umschulung zum Altenpfleger übernimmt. Im dritten Jahr muss der Träger der Ausbildung eine angemessene Vergütung zahlen und die Weiterbildungskosten erstatten.
Noch gravierender macht sich eine Entscheidung der BA bemerkbar. Die Arbeitsagentur kürzte 2005 die Ausgaben für Altenpflege-Umschulungen. Dabei hatte das zu ihr gehörige Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 2004 in einer Studie herausbekommen, dass zu Altenpflegern umgeschulte Arbeitslose viel häufiger einen Job bekamen als andere Umschüler. „Weiterbildungsmaßnahmen im Pflegebereich stellen damit sehr erfolgreiche Instrumente der aktiven Arbeitsmarktförderung dar“, heißt es im IAB-Bericht.
Ob als Umschüler oder Auszubildender, künftige Altenpfleger sollten sich keine Illusionen machen: Ihr Job wird hart. Körperlich wie seelisch. „200 bis 300 Überstunden im Jahr sind keine Seltenheit“, weiß Knörr. Die Berufsflucht ist daher extrem hoch. Das IAB fand heraus, dass Altenpfleger im Schnitt 9,5 Jahre in ihrem Beruf bleiben – in der Krankenpflege sind es immerhin 16,2 Jahre. Einen wichtigen Grund für Burn-out bei Altenpflegern sieht Knörr in fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten und Fortbildungen sowie Supervisionen. Hier seien Arbeitgeber gefragt. Aber Fehler lägen auch im System: „Fließbandpflege“ verbittere. Knörr wünscht sich daher, dass es bei der Reform der Pflegeversicherung um mehr als Finanzen geht – „still, satt, sauber“ reicht nicht.