: „Satan isch der Beschte“
Kehrwoche und martialische Musik, leben und leben lassen: In der Dokumentation „Heavy Metal auf dem Lande“ zeigt die schwäbische Provinz, dass sie tolerant sein kann – so lange das Arbeitsethos stimmt
„Ein Metaller ist eigentlich ein bodenständiger, konservativer Mensch.“ Was wie die Werbung des christlichen Arbeitnehmerverbandes klingt, ist tatsächlich Selbstbeschreibung der Heavy-Metal-Szene in Donzdorf. Mehr Kontrast geht eigentlich nicht: Ein aufgeräumtes Städtchen am Rande der Schwäbischen Alb ist der Sitz von Nuclear Blast, einem großen unabhängigen Metal-Label und Mailorder-Versand. Oder wächst da etwa schlicht zusammen, was zusammengehört? Hier Kehrwoche und Rolläden, da schwarze Kluft und lange Matte?
Markus Staiger, der sein Metal-Imperium im elterlichen Haus begründete, empfängt die internationale Presse zu Listening Sessions im „Bürgerstüble“. Während im großen Saal der Männergesangsverein probt, werden im Hinterzimmer die neuesten Metal-Releases gefeatured. Den älteren Eingeborenen bleiben deren Musik und Ikonografie suspekt, doch die „Schaffe, schaffe, Label bauen“-Dynamik ringt ihnen Respekt ab.
Nuclear Blast ist ein mittelständisches Unternehmen mit inzwischen 60 Beschäftigten, Charthits und einem guten Dutzend Schallplatten in Gold. Anthrax, Clawfinger, Nightwish, Soilwork, Primal Fear, Dimmu Borgir und etliche weitere sind bei Nuclear Blast unter Vertrag, die Firma gilt als Trendsetter der Branche, was mancher in der Szene argwöhnisch als Ausverkauf missbilligt.
Aber Porsche, Yoga, Heavy Metal – für Markus Staiger ebenso wenig ein Widerspruch wie für Oliver Barth, Schlagzeuger, Strickwarenfabrikant mit Eigenheim, Familie und individueller Metal-Mode am Leib. Im Versand verpacken Hausfrauen mit schwäbischer Sorgfalt CDs, Vinyl, blutige Totenschädel und andere Reliquien. Die Metalmutter erzählt von ihrem Traum, mit dem Nachwuchs einst auf Festivals zu fahren, von Berührungsangst und Toleranz. Doch am Ende bringt der Nachwuchs den getrennten Müll schon runter, nicht ohne zuvor fein den Joghurtbecher ausgespült zu haben. Raus aus der Gesellschaft will hier keiner, nur rein in den Metal, und der Spruch „Satan isch der Beschte“ unterm Kruzifix an der Wand war ja gar nicht so gemeint.
Leben und leben lassen. Die mal schnittige, mal gemächliche einstündige Doku von Regisseur Andreas Geiger zeigt, dass sie es doch kann, die Provinz. Kuscheliges Donzdorf, du hast es besser? Ob allerdings einem Muezzin auf dem Minarett ähnlicher Langmut seitens der Gemeinde entgegenschlüge wie dem Local Headbanger?
Vielleicht ist die martialische Bildsprache des Heavy Metal ja auch einfach nur die modernisierte Version christlicher Abbildungen von Qual, Teufel und Dämonen, wie sie sich an und in zahlreichen Kirchen finden. Der Pfarrer von Donzdorf jedenfalls hat seine Schäfchen im finsteren Metal-Tal noch nicht verloren gegeben und Nuclear Blast bereits einen Besuch abgestattet.TIM GALLWITZ
mit Vorfilm „Hosskirch abends“: Do, 23. 2., 20 Uhr, Lichtmesz