: Der neue Präsident regiert per Dekret ohne Verfassung
Die Sicherheitskräfte verhaften den Führer der Muslimbrüder. Obama will Hilfe überprüfen
KAIRO rtr/ap | Die ägyptischen Streitkräfte haben nach dem Sturz von Mohammed Mursi den bisherigen Chef des Verfassungsgerichts zum neuen Präsidenten ernannt. Adli Mansur versprach bei seiner Vereidigung am Donnerstag Neuwahlen, nannte aber keinen Zeitpunkt. Ägypten sei auf den „Weg seiner ruhmreichen Revolution“ zurückgekehrt.
Die Militärführung unter Oberkommandeur Abdel Fattah al-Sisi setzte die Verfassung außer Kraft und erklärte, Mansur werde mit Hilfe von Dekreten herrschen. Der Jurist bot den Muslimbrüdern an, bei der Gestaltung des Landes mitzuwirken. „Niemand wird ausgeschlossen“, sagte Mansur nach seiner Vereidigung einem Bericht der staatsnahen Zeitung Al-Ahram zufolge. Nach Angaben der Streitkräfte sind vorgezogene Präsidentenwahlen, die Einsetzung einer Expertenregierung und die Überarbeitung der Verfassung geplant. Ein Zeitrahmen nannten auch die Militärs nicht. Das Verfassungsgericht soll zudem Parlamentswahlen vorbereiten.
Unterdessen wurde der Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft festgenommen. Mohammed Badia sei bereits am Mittwochabend in der Villa eines befreundeten Geschäftsmannes in dem Küstenort Marsa Matruh westlich von Kairo verhaftet worden, sagten Vertreter der ägyptischen Sicherheitskräfte am Donnerstag. Badia sei in einem Militärhelikopter in die Hauptstadt geflogen worden.
Die Staatsanwaltschaft erließ am Donnerstag Haftbefehle gegen Badia und seinen Stellvertreter Chairat al-Schater. Die beiden und mehr als 200 Mitglieder der Muslimbruderschaft sowie anderer islamistischer Gruppen stehen jetzt auf einer Fahndungsliste. Mursi selbst wird nach Angaben aus Sicherheitskreisen in einem Gebäude des Militärgeheimdienstes festgehalten. Fernsehsender, die mit Mursi sympathisieren, mussten ihren Betrieb einstellen.
Bei Zusammenstößen zwischen Oppositionellen und Anhängern Mursis wurden mindestens 14 Menschen getötet. In Kairo umstellte die Armee eine Ansammlung Hunderter Anhänger Mursis mit Panzern und Soldaten. Die Streitkräfte versprachen, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Auch Mursi verlangte von seinen Anhängern, auf Gewalt zu verzichten.
Die internationale Gemeinschaft reagierte zurückhaltend. So sprachen weder die UNO noch die USA von einem Putsch, was Sanktionen nach sich ziehen könnte. US-Präsident Barack Obama forderte, dass es so schnell wie möglich wieder eine demokratisch gewählte Regierung geben müsse. Die US-Behörden prüften, ob sich der Sturz Mursis auf Hilfen an das arabische Land auswirken könnte. Die USA unterstützen die ägyptischen Streitkräfte jedes Jahr mit 1,3 Milliarden Dollar.