Die Tiere sind Nebensache

SPEKTAKEL Hannovers Zoo ist einer der ältesten im Land und recht erfolgreich, was Zuchterfolge angeht. Der Besucher aber bemerkt davon nicht viel

Hannovers „Expo 2000“ war ein Musterbeispiel für nicht nachhaltige Investitionen. Aber es gibt Ausnahmen. Und eine Erfolgsgeschichte: den Zoo. Dessen Betreiber stellten zwar jüngst erst fest, dass man als Outdoor-Veranstalter vom Wetter abhängig ist – im regenreichen Jahr 2012 wurden fast 185.000 Besucher weniger gezählt als jene 1,62 Millionen im Rekordjahr zuvor. Aber der Zoo Hannover bleibt die bedeutendste Touristenattraktion der Region und noch dazu ein Wirtschaftsfaktor: Über 300 Vollzeitstellen sind ausgewiesen.

Statt nur die Hagenbeck’schen Open-Air-Gehege ohne sichtbehindernde Zäune zu kombinieren mit Käfighaltung, Volieren, Terrarien und einer Wiese, die mit zum Bestreicheln angestellten Tieren bevölkert ist, nahm man 1996 das Expo-Projekt „Zoo der Zukunft“ in Angriff; 2010 wurde es dann mit der siebten „Erlebniswelt“ vorerst vollendet. Hannover habe damit die „europäische Zoowelt revolutioniert“, urteilt die Pressestelle: Australisches Outback und Gorillaberg, niedersächsisches Bauerndorf und Kinderland „Mullewapp“ wurden inszeniert – und dann auch noch das nördlichste Amerika zwischen der afrikanischen Flusslandschaft Sambesi und dem dezent verdschungelten Maharadscha-Tempel angesiedelt. Dazu Minengänge der Goldrauschzeit, kanadische Wildnis, Holzhäuserhafenstadt, ein gestrandetes Schiff und gläserne Unterwasserwelt – bombastisch. Wie all die anderen Orte, die als „Eventlocations“ auch Hochzeitstohuwabohu oder festlichen Dinnerpartys offen stehen. Süßkrambuden prunken mit Megabechern voller Popcorn oder Softgetränke, daneben locken Gelateria-Stände und Lokale im Fachwerkhaus-Design, Merchandisingshops bieten Kuscheltiere und Andenken-Nippes feil.

Fast-Food-Verköstigung, aber auch so global-lokale Spezialitäten wie Bisonfrikadelle oder Elchsalami gibt es. Dazu kleine Vorführungen und große Shows. Oder einen Jahrmarkt. Mehr als 2.000 Feste und Veranstaltungen werden in Hannovers Zoo jedes Jahr gefeiert. Zum Klettern, Rodeln, Toben, Rutschen gibt’s Abenteuerspielplatz-Installationen, die zumindest in Norddeutschland kein Konkurrenzzoo toppen kann. Es gibt so unfassbar viel zu erleben, zu entdecken, essen, trinken, kaufen, dass man sich immer wieder wundert, wenn mal irgendwo ein aus der Zoologie bekanntes Wesen herumsteht. Mag auch im vergangenen Jahr irgendwer 3.306 Tiere in 247 Arten gezählt haben.

Der 1865 gegründete Tierpark, einer der ältesten Deutschlands, ist hektarmäßig nicht der größte, aber bei den Tagestickets längst der teuerste bei uns im Norden. Das hat einen guten Grund: Wie ein Zoo funktioniert der Zoo nicht, auch wenn er zoologisch erfolgreich ist und immer wieder irgendwo Nachwuchs schlüpft. Aber eigentlich ist er eine Art Disneyland, die Tiere sind Statisten, notwendige Dekoration. Es regiert das Spektakel – das aber kriegt weit und breit keine Tierschau besser hin. Wer seine Kinder schon auf der Heimfahrt fried- und glücklich wegschlummern sehen möchte, ist im „Erlebnis-Zoo“ genau richtig. Fehlt eigentlich nur noch ein Resort in der umliegenden Eilenriede, dem Stadtwald Hannovers, um die Gäste tagelang an sich zu binden – wie all die anderen Erlebnisparks es tun.  JENS FISCHER