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Archiv-Artikel

Die Tücken der Statistik

Schwerin ist nicht Schwerin

Den Statistikern wäre auch zuzutrauen, dass sie so viele Menschen wegrechnen, dass der Ort eine negative Einwohnerzahl hat. Dann hätten erst wieder ein paar Leute hinziehen müssen, damit dort niemand mehr wohnt

Das kleine Örtchen Schwerin ist ohnehin schon sehr klein: 780 Menschen, so der neueste Stand, leben dort zwischen dem Moddersee und dem Zemminsee, 30 Kilometer südlich von Berlin. Aber die statistischen Ämter hatten das kleine Schwerin sogar noch kleiner gerechnet. Sie behaupteten, der Ort habe nur 627 Einwohner. Die Gemeindekasse erhielt dadurch in der Vergangenheit jährlich nur 216.000 Euro Zuschüsse vom Land – dabei hätten ihr 115.000 Euro mehr zugestanden. Schuld an der ganzen Misere ist der Datenschutz.

In Deutschland ist es nämlich so, dass die Einwohnermeldeämter der Gemeinden und die statistischen Landesämter getrennte Datenbanken führen. Die Landesämter dürfen die Namen der Einwohner nicht erfahren – Datenschutz eben. Sie dürfen nur zählen, wie viele Einwohner eine Gemeinde insgesamt hat. Bis vor zwei Monaten basierte diese Zahl noch auf den Volkszählungen von 1987 (BRD) und 1981 (DDR).

Wenn danach ein Bürger von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde zog, ging er an seinem neuen Wohnort zum Einwohnermeldeamt. Dort teilte er mit, von wo nach wo er umgezogen ist. Das Einwohnermeldeamt meldete das dann dem statistischen Landesamt. Aber nicht den Namen der Person – Datenschutz –, sondern nur den alten und den neuen Wohnort. Die Statistiker zogen beim alten Wohnort einen Einwohner ab und addierten einen beim neuen.

Offenbar arbeiteten die Behörden dabei nicht immer so genau, wie sie sollten. Die Fehlerquelle liegt auf der Hand: Personen, die aus Schwerin, der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, wegzogen, wurden wohl fälschlicherweise dem kleinen Ort Schwerin in Brandenburg abgezogen.

Erst bei dem aktuellen Zensus flog die ganze Sache auf. Schwerin bekommt in Zukunft die Zuschüsse, die ihm zustehen. Eine Entschädigung für die bisher zu wenig gezahlten Zuschüsse gibt es allerdings nicht.

Schwerin hat übrigens immer noch Glück gehabt. Schließlich haben die Statistiker nur 153 Einwohner unterschlagen. Ihnen wäre auch zuzutrauen, dass sie so viele Menschen wegrechnen, dass der Ort eine negative Einwohnerzahl hat. Dann hätten erst wieder ein paar Leute hinziehen müssen, damit dort niemand mehr wohnt. Zumindest rein statistisch gesehen. SEBASTIAN HEISER