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Archiv-Artikel

Das ist doch nichts für Mädchen

DISKRIMINIERUNG Frauen-Eishockey nimmt nicht mal der eigene Verband ernst. Es gibt keine Mädchenteams in den Vereinen, und bei den Frauen gelten Regeln wie bei den Junioren: Gesichtsschutz ist Pflicht, Bodycheck verboten

„Die Frauen müssen die Zeche für Versäumnisse im Männerbereich zahlen“

VON JOHANNES KOPP

Von ganz weit oben hängt die europäische und deutsche Fahne herunter. Man hat im Berliner Wellblechpalast getan, was man eben so macht, wenn man einem sportlichen Ereignis Größe und Würde verleihen möchte. Fraueneishockey ist schließlich olympisch. Vor Kurzem wurden bei den Winterspielen in Vancouver die kanadischen Goldmedailliengewinnerinnen von knapp 20.000 Menschen bejubelt. Im Sportforum in Hohenschönhausen versammeln sich am Wochenende die besten sechs der insgesamt sieben deutschen Bundesligateams, um den deutschen Pokalsieger 2010 zu ermitteln. Am Ende reckten die Frauen vom ESC Planegg/Würmtal nach dem Finalsieg mit 4:2 gegen die Gastgeberinnen BSC Eisladys den Pokal in die Höhe.

An Olympia erinnert hier allerdings nichts. Die Anzahl der aktiven Spielerinnen bei diesem Pokalturnier übersteigt die Zuschauerzahl deutlich. Statt der üblichen bunten Werbetafeln ist im Eisoval die blanke grauweiße Bande zu sehen. Lediglich an einer der Plexiglasscheibe hinter den Toren wirbt eine Wohnungsgenossenschaft mit einem schief angebrachten Banner für sich.

Anja Scheytt, Stürmerin der Eisladys OSC Berlin, lächelt, als sie auf das triste Bild angesprochen wird. „Uns geht es noch gut“, sagt sie. „Wir bekommen unser Essen und unsere Reisen bezahlt und müssen nicht noch wie viele andere draufzahlen.“ Fast im Alleingang hat die wendige Stürmerin ihr Team ins Pokalfinale geschossen. Von den neun Toren bei den Siegen gegen Memmingen (6:2) und den SC Riesersee (3:1) hat sie drei vorgelegt und drei selbst erzielt. Auch für den deutschen Meistertitel, den sich der OSC Berlin vor wenigen Wochen sicherte, hat sie mit den meisten Scorerpunkten einen maßgeblichen Anteil geleistet. Scheytt zählt zu den ganz Großen im deutschen Fraueneishockey.

Weil sie jedoch mit 29 Jahren an ihr Berufsleben denken muss, hat sie ihre internationale Karriere gerade beendet. Mit dem Schattendasein ihrer Sportart hat sie sich abgefunden: „Eishockey ist eben kein Fußball.“ Wenn die Sportart in Deutschland einen höheren Stellenwert hätte, würde es auch den Frauen besser gehen. Ihre 22-jährige Mannschaftskollegin Gioia Fritz frustriert die Entwicklung. „Vor drei Jahren hatten wir noch 11 Teams in der ersten Liga, jetzt können sich das nur noch sieben Vereine leisten.“ Die Abstiegsregel habe man deshalb abgeschafft.

Der Liga fehlt es am Unterbau. Es gibt keine Mädchenteams in Deutschland. In Bayern dürfen die Mädchen bei den Jungs mitspielen. In den nördlichen Bundesländern ist selbst dies oft nicht möglich. Die Vereine sperren sich gegen die Mädchenbeteiligung. Auch bei den Eisbären Berlin gibt es keine offene Regelung, zwei Mädchen haben eine Sondergenehmigung erhalten.

Die Schiedsrichter pfeifen regelkonform jeglichen Körpereinsatz ab

Fraueneishockey hat keine Lobby in Deutschland, selbst bei den Vereinen und dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) nicht. Rene Bielke, der Trainer der Berliner Eisladies, kritisiert: „Es fehlt der Wille, etwas in Bewegung zu setzen, und zudem müssen die Frauen noch die Zeche für Versäumnisse im Männerbereich zahlen.“ Das Bundesinnenministerium hatte 2008 Fördergelder für den DEB einbehalten, weil der Verband im Fall des Nationalspielers Florian Busch, der eine Dopingprobe verweigerte, eine unglückliche Figur gemacht hatte. Der geschröpfte DEB sagte daraufhin mehrere Frauenlehrgänge ab.

Dass Eishockeyspielerinnen vom eigenen Verband nicht für voll genommen werden, schlägt sich auch im Regelwerk auf dem Eis nieder. Wie die Junioren müssen auch die Frauen beim Spiel einen Gesichtsschutz tragen. „Das ist schon etwas diskriminierend“, sagt Gioia Fritz, und sie fügt hinzu: „Einige Frauen würden gerne härter spielen.“ Aber die Schiedsrichter pfeifen regelkonform jeglichen Körpereinsatz ab. Bodychecks sind verboten.

Um die Zukunft des Fraueneishockeys zu wahren, setzt man beim OSC Berlin auf die Allerjüngsten. Im Bundesligakader stehen drei Spielerinnen, die in diesem Jahr erst 14 Jahre alt werden. Mit Sonderlizenzen ausgestattet sollen sie frühzeitig auf allerhöchstem Niveau gefördert werden. Nächstes Wochenende messen sie sich gar mit der internationalen Konkurrenz: Die Eisladys vom OSC Berlin richten im Wellblechpalast das Europapokalturnier der Landesmeister aus. Dann werden noch mehr Fahnen gehisst werden. Und mehr Zuschauer werden auch erwartet. Über Jürgen Zöllner, den Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wurden alle Schüler Berlins nach Hohenschönhausen eingeladen.