: Die Männer-Rechte
MASKULISMUS Männer machen Front gegen den Feminismus. Jetzt müsse Schluss sein mit der „Besserstellung der Frau“
■ 52, ist Journalist in Köln und Autor des Buchs „Die Krise der Kerle“ (Lit Verlag). Seine ausführliche Expertise erscheint als Broschüre „Geschlechterkampf von rechts“ bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.
VON THOMAS GESTERKAMP
Die Politik hat die Anliegen der Männer entdeckt. Auf der Suche nach Profil wurde zuletzt Familienministerin Kristina Schröder (CDU) fündig: „Wir müssen die Männer stärker in den Blick nehmen“, betonte sie beim Antrittsbesuch im Familienausschuss.
Das neue Thema der schwarzgelben Koalition signalisiert nicht unbedingt ein gesteigertes Interesse an Gleichstellung. Im Gegenteil, gerade bei der FDP, die die Männerpolitik im Koalitionsvertrag verankerte, klingen stellenweise ganz andere Töne an. So beschlossen die bayerischen Jungliberalen kürzlich eine Erklärung, laut der sie die „Knechtschaft“ der Männer beenden wollen. Sie fordern die Abschaffung des Bundesgleichstellungsgesetzes, die Rücknahme aller UN-Resolutionen und Passagen in EU-Verträgen zum Gender Mainstreaming sowie das Streichen sämtlicher Quotenregelungen. Statt staatlicher Bevormundung müsse „die volle Vertragsfreiheit wiederhergestellt werden“.
Wie das neu geschaffene Referat 408 „Gleichstellungspolitik für Männer und Jungen“ im Familienministerium arbeiten wird, hängt auch davon ab, welche Forderungen aus der Gesellschaft erhoben werden. Da heißt es genau hinsehen, denn die Männerbewegung präsentiert sich heterogen. Geschlechterdialogisch orientierte Verbände gründen gerade ein „Bundesforum Männer“ als Pendant zum Deutschen Frauenrat. Antifeministische Aktivisten dagegen schrecken selbst vor Kooperationen mit Rechtsradikalen nicht zurück. Sie klagen über eine „Kaste der Genderfunktionäre“, deren kulturelle Hegemonie jeden Widerspruch unterdrücke.
„Totalitäre Ideologie“
Doch beim Blick in die Presse wird eher eine ganz andere Hegemonie sichtbar. Denn wann immer die publizistischen Alpha-tiere der Republik etwa das spröde Wortpaar Gender Mainstreaming erwähnten, changierte die Bewertung zwischen „lächerlich“ und „gefährlich“. 2005 bezeichnete der Stern die „neue Geschlechtergefühligkeit“ als „trivial und teuer“.
Der Spiegel malte 2007 ein düsteres Bild autoritärer Genderpädagogik, das Jungen „früh zu Kritikern des eigenen Geschlechts“ mache. FAZ-Redakteur Volker Zastrow wetterte gegen das „angewandte Kaderprinzip der feministischen Lobby“, die eine „politische Geschlechtsumwandlung“ plane.
Dass die rechtslastige Junge Freiheit einen ganz ähnlichen Verschwörungston anschlug („Eine totalitäre Ideologie“), störte die bürgerlichen Leitmedien offenbar nicht. Die antifeministische Kampagne hatte Erfolg: Im Familienministerium wird das Wort Gender Mainstreaming mittlerweile ängstlich gemieden. Das angegliederte „Genderkompetenzzentrum“ ist in Auflösung begriffen.
Als wissenschaftlicher Kronzeuge dient häufig der Bremer Soziologe Gerhard Amendt. Der Geschlechterforscher, einst Vorkämpfer für die Legalisierung der Abtreibung, behauptet inzwischen, Frauen seien in Beziehungen ebenso gewalttätig wie Männer. In der Welt forderte er gar die Abschaffung der Frauenhäuser wegen ihres „militanten Feminismus“.
Auch der Focus schreibt mit ständigen Berichten über das „geschwächte Geschlecht“ eine „neue Bürgerrechtsbewegung“ geradezu herbei. Doch der neue Geschlechterkampf wird online geführt. In Internetforen stilisieren sich Männer zu Diskriminierten in allen Lebenslagen. Typisch für die Netzbeiträge ist ein trotzig-beleidigter „Da seht ihr’s mal wieder“-Tonfall; auf unliebsame Kritiker wird zum Teil eine regelrechte Hatz veranstaltet. Beschimpfungen als „lila Pudel“, falsche Behauptungen und die Enthüllung der Klarnamen von Bloggern mit anderer Meinung sind an der Tagesordnung.
Die Diskutanten sind überwiegend keine Neonazis, allerdings ergeben sich immer wieder Überschneidungen mit und Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen und Publikationen. So versorgt der Buchautor Arne Hoffmann, Betreiber des Blogs Genderama, die antifeministische Seite „Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land“ (wgvld.com) regelmäßig mit Artikeln aus der Jungen Freiheit. Das Forum wgvdl.com wiederum ist mit der Seite de.altermedia.info verlinkt. Deren homophobe Betreiber riefen 2009 zu „nationalen Protesten“ gegen den Christopher Street Day in München auf und unterstellten Oberbürgermeister Christian Ude, schwul zu sein.
Auf der Seite free-gender.de tauschen sich Mitglieder und Sympathisanten der rechtsextremen Initiative „Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen“ aus. Gender Mainstreaming, so heißt es dort, sei „eine unbekannte Gefahr, die sich seit gut 25 Jahren immer tiefer in den politischen Alltag der BRD und der restlichen Welt hineingebohrt hat“. Die vor allem in Ostdeutschland aktive Gruppe veranstaltet „Aufklärungsvorträge“ zum Genderthema, besucht aber auch Treffen von Neonazis wie zum Beispiel das „Fest der Völker“ im September 2009 in Thüringen.
Nah an der rechten Szene
Das Buch „Befreiungsbewegung für Männer“ sieht Mitherausgeber Paul-Hermann Gruner als längst überfällige „Publikation für die Zeit nach dem Feminismus“. Der Redakteur beim Darmstädter Echo fordert „das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ und eine „offensive Interessenvertretung der Männer“. Die Kerngruppe der Autoren bildete im Dezember den Verein Agens – „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechter-Demokratie“. Zu den Gründungsmitgliedern gehört neben Gruner und Hoffmann auch Amendt.
Agens schmückt sich mit bekannten Experten wie dem Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Er ist der Initiative nicht beigetreten, war aber bei der Gründungspressekonferenz mit von der Partie. Die Präsentation sei „nicht überzeugend“ und „über das Ziel hinausschießend“ gewesen, geht er im Nachhinein auf Distanz. Er selbst würde „das in der Wortwahl nicht so machen“.
Ausdrücklich begrüßt er „schräge Töne, Aufgeregtheiten und Zuspitzungen, weil dadurch Emotionen in das Thema hineinkommen“. Hier würden „Versäumnisse und blinde Stellen“ benannt, wenn auch auf unbeholfene Weise: „Das ist sozusagen die Fundiströmung, aus der später Realpolitik werden kann.“
Wenig Berührungsängste zu Männerrechtlern zeigt auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Bei ihr arbeitet Agens-Mitglied Karl-Heinz van Lier, der im vergangenen Sommer mit öffentlichen Geldern die Tagung „Ein Männeraufbruch ist überfällig“ in Mainz organisierte. Auch hier eine Mischung aus vergleichsweise harmlosen und extremen Rednern: Das Spektrum reichte von dem zur Welt gewechselten Ex-taz-Redakteur Robin Alexander über den fanatischen Antifeministen Arne Hoffmann bis zu Hartmut Steeb, dem Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, einer Dachorganisation pietistischer Gruppen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierungen als psychische Störung betrachten.
Nicht jeder, der zu einem Rechtsextremen Kontakt hält oder in einer rechtslastigen Zeitschrift publiziert, ist automatisch selbst rechtsextrem. In der „Männerbewegung“ existieren progressive und rückwärts gewandte Strömungen von jeher nebeneinander. Einige der von Männerrechtlern skandalisierten Themen sind wichtig: die Schwierigkeiten von Jungen in der Schule, die vernachlässigte Männergesundheit und die Tabuisierung der gegen Männer gerichteten Gewalt.
Doch „ein vermeintlicher Dialog, der von vornherein mit klischeehaften Zuweisungen arbeitet, kann nur ein Monolog bleiben“, sagt der Freiburger Geschlechterforscher und Gewaltexperte Hans-Joachim Lenz. Auch er hat für den Sammelband der Männerbefreier einen Beitrag geliefert, sich aber anschließend vom „maskulinistischen Geplänkel“ seiner Koautoren distanziert.
„Vorbild“ Österreich
Das Männerthema bekommt unter der schwarz-gelben Bundesregierung auffällig mehr Gewicht. Verschlafen Sozialdemokraten, Grüne und Linke ein Politikfeld der Zukunft? Die Oppositionsparteien verweisen warnend auf Erfahrungen in Österreich, wo die FPÖ gegen den Widerstand von Frauenverbänden eine „männerpolitische Grundsatzabteilung“ im Sozialministerium installierte. Ein Teil der Publikationen, die die finanziell gut versorgten Wiener Männeraktivisten in hohen Auflagen unters Volk brachten, hatte eine männerrechtliche Schlagseite.
Eine Idee muss aber nicht grundsätzlich falsch sein, nur weil sie der politische Gegner mangelhaft in die Praxis umgesetzt hat. Männerpolitik, die sich eindeutig distanziert von rechtskonservativem oder gar rechtsextremem Gedankengut, kann konfrontativ orientierten Antifeministen den Wind aus den Segeln nehmen. Der Gestus des Tabubrechers, der „politisch korrekte“ Denkverbote missachtet, wäre ebenso erschwert wie das Umwidmen von Begriffen wie Befreiung oder Geschlechterdemokratie.