: Hiesige Erregung
NSA Viele wussten es immer: Die USA waren’s
Das Böse ist immer und überall. Das wissen nicht nur die Geheimdienste, das wissen auch die aufgeregten Bürger. Anders aber als die Geheimdienste wissen Letztere bereits immer, woher die Gefahr kommt. „Aus dem Land / das sich selbst zerstört / und uns den ‚way of life‘ diktiert“, wie Joseph Beuys schon 1982 in „Sonne statt Reagan“ sang.
Auch jetzt, nachdem der Whistleblower Edward Snowden die NSA-Spionagetätigkeiten verraten hat, wissen der bewegte Bürger und die linke Aktivistin, wer hinter allem steckt. Nämlich allein die USA. Dass der britische Geheimdienst GCHQ involviert ist – und laut Snowden zurzeit der Einzige ist, der alle greifbaren Daten speichert („Full Take“) –, wird hingegen weitgehend ignoriert. Dass sich die Geheimdienste Kanadas, Neuseelands und Australiens dieser Daten ebenfalls bedienen, ist den Empörten bereits völlig egal.
Dass die Bundesregierung die sogenannte „Vorratsdatenspeicherung“ plante und plant ist den meisten der nun so Empörten kaum je der Rede wert gewesen. Somit wird sie die im aktuellen Spiegel nachzulesende Aussage Snowdens, die deutschen Geheimdienste hätten voll und ganz gewusst, was ihre englischsprachigen Kollegen taten, nicht irritieren. Dabei ist sich Snowden absolut sicher, dass die deutschen Behörden über das Ausmaß der Spionage Bescheid wussten („ja, natürlich“, sagt er im Interview).
Snowden erzählt weiterhin, die deutschen Behörden hätten nie gefragt, woher eigentlich die Freunde von der NSA wussten, wann wer mit welchem Flugzeug wo landen würde und warum man ihn verhaften müsse. Und warum sollten sie auch? Geheimdienste helfen einander. Und sie tut dies im naturgemäß Verborgenen. Dieses Tun im Verborgenen aber ist just das, was die Fantasie der Uneingeweihten anregt. Andersherum glauben viele Deutschen – anders als viele Amerikaner – nicht daran, dass auch MAD oder BND bei ihrer Arbeit Rechtsbrüche begehen. Sie sind geradezu überrumpelt, wenn herauskommt, dass deutsche Geheimdienstmitarbeiter den Amerikanern im Irakkrieg, aus dem sich Deutschland ja herausgehalten hatte, Ziele für Bombardierungen bekanntgaben – und dergleichen wird auch schnell wieder vergessen. Dass die parlamentarischen Kontrollgremien um diese Dinge wissen, wird ebenfalls gern übersehen. Auch macht das sehr verhaltene Agieren von Kanzlerin und Innenminister gegenüber den USA eines deutlich: Ihnen sind die Überwachungsaktionen der Bündnispartner nicht unrecht.
Das soll nicht heißen, dass die Abhörmaßnahmen der NSA und der GCHQ zu entschuldigen wären. Solange sich die hiesigen Erregten aber nicht auch den hiesigen Geheimdiensten zuwenden, ist ihre Empörung über die amerikanischen Aktivitäten nichts als bigott. JÖRG SUNDERMEIER