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Archiv-Artikel

„Straßburg wird zu Scienceburg“

EU-Parlamentarier Chatzimarkakis (FPD) sieht das geplante Technologiezentrum als Chance für Innovation

taz: Herr Chatzimarkakis, die EU-Regierungschefs haben auf ihrem Gipfel im Dezember die Mittel für Forschung und Entwicklung stark gekürzt. Gleichzeitig sind zwei Milliarden für das neue European Institute of Technology im Gespräch. Wo kommen die her?

Jorgo Chatzimarkakis: Das neue Institut wird keine zusätzlichen Mittel brauchen. Es soll die Exzellenz-Netzwerke, die es bereits in Europa gibt, zusammenbinden – dafür brauchen Sie nicht viel Geld. Außerdem können Sie auf den Europäischen Investitionsfonds zurückgreifen. Eine halbe Milliarde Euro EU-Förderung, noch einmal so viele nationale Eigenmittel, die fünffache Kreditsumme – schon sind Sie bei fünf Milliarden Euro.

Das große Vorbild, das Massachusetts Institute of Technology, hat einen jährlichen Etat von zwei Milliarden Dollar.

Das MIT zu kopieren ist unmöglich. Es geht auch nicht um Forschung. Es geht um das, was nach der Forschung kommt. Forschung ist, wenn ich Geld in Wissen investiere. Innovation ist der Prozess, wo man aus dem Wissen Geld macht und eine Anwendung, ein Produkt, eine Lizenz, ein Patent, eine Dienstleistung entwickelt.

Schwebt Ihnen also etwas anderes vor als Kommissionspräsident Barroso?

Nein. Ich habe Barroso und Bildungskommissar Figel darauf hingewiesen, dass sie enorme Schwierigkeiten in der Wissenschaftswelt bekommen, wenn sie den Eindruck erwecken, es gehe um eine weitere Universität.

Warum gibt es diese Lücke in der anwendungsorientierten Forschung?

Der Großindustrie ist die Forschung viel zu teuer. Die kaufen den Kleinen das Patent ab, oder sie kaufen gleich die ganze Firma auf. Die Kleinen könnten EU-Förderung gut gebrauchen, können aber nicht sechs Monate auf die Zusage warten und vorher einen Mitarbeiter vier Wochen freistellen, damit er den Antrag schreibt. Die kleinen Unternehmen sind zum Beispiel im 6. Forschungsrahmenprogramm gar nicht mehr an die Förderung gekommen, weil der bürokratische Aufwand ihre Mittel übersteigt.

Hier soll das EIT helfen?

Die 27 Technologieplattformen, die es in Europa gibt, für Mikroelektronik, Weltraumtechnologie, Biotechnologie, Denkmalschutz, die werden heute schon gut mit Geld ausgestattet. Viele funktionieren sehr gut – der Airbus ist ein Resultat einer solchen Plattform. Wenn jetzt jemand zum Beispiel im Bereich Aspirin ganz gut ist, ihm fehlt aber noch der pflanzliche Teil. Es gibt eine Technologieplattform „plants for the future“ – den Kontakt stellt das EIT her.

Wo liegt der Anreiz für Unis und Technologiezentren, sich am Netzwerk zu beteiligen, wenn es kein frisches Geld gibt?

Die Marke EIT muss gut sein – das ist für die Professoren, die sich beteiligen dürfen, eine hohe Aufwertung. Die Qualität wird ständig überprüft, man kann dieses Siegel auch wieder verlieren. Die Details liegen alle noch nicht fest. Die Kommission präsentiert heute nur die Grundidee.

Es geht also um eine schlanke Struktur. Und für ein Dutzend Manager und Berater wollen Sie das Parlamentsgebäude in Straßburg leer räumen?

Ich schätze, da werden zwischen 2.000 und 5.000 Leute sitzen. Damit wird die Kommission von der Erbsenzählerei bei den Forschungsanträgen entlastet. In den Technologieplattformen stecken doch 15 bis 20 Milliarden im Jahr – dafür können Sie leicht 1.000 Leute abstellen. Dann packen Sie den Europäischen Forschungsrat ERC noch dazu – für beide Institutionen ist das Parlamentsgebäude in Straßburg wie geschaffen. Konferenzen, Think Tanks, das passt doch wunderbar. Die Franzosen kapieren doch auch, dass Straßburg als Parlamentssitz nicht mehr zu halten ist. 2007 wird Chirac abgewählt. 2009 soll das EIT starten. Wir EU-Parlamentarier pendeln diese letzte Legislatur, und nach 2009 wird Straßburg zu Scienceburg.

INTERVIEW:

DANIELA WEINGÄRTNER