Keine Folter in der Flora

Strafvollzug und Personalpolitik à la Kusch dominieren Debatte in der Bürgerschaft. Neben Menschenrechtsverletzungen Filz vorgeworfen

„Eine Politik aus Fehlern, Vetternwirtschaft und Mobbing“

Von Sven-Michael Veit

Es gebe „so viele Anlässe“, über Justizsenator Roger Kusch zu debattieren, dass „man jeden Aktuelle Stunde darüber reden könnte“, seufzte SPD-Rechtspolitiker Rolf-Dieter Klooß. Für die gestrige Sitzung der Hamburger Bürgerschaft hatte CDU-Mann Kusch gleich zwei Anlässe geliefert: Die Entkleidung und Fesselung von Strafgefangenen in Gefängnissen der Hansestadt (taz berichtete) und, wie gestern bekannt geworden war, die dubiose Beförderung eines engen Vertrauten auf eine Leitungsstelle in der Justizbehörde.

„Es gibt keine Begründung dafür, jemanden stundenlang nackt zu fesseln“, ereiferte sich GAL-Rechtspolitiker Till Steffen. Solche „grauenhaften Vollzugsbedingungen“ seien „Verletzungen der Menschenwürde“. Ein Senator, der dies dulde und billige, sei „ein Schaden für die Justiz und den Rechtsstaat“. Nicht zuletzt deshalb, weil dies das „mittelalterliche Bild von Recht und Justiz“ des Senators entlarve, wie Klooß glaubt.

Viviane Spethmann, rechtspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, hingegen sah darin „eine absurde und unwürdige Inszenierung gegen einen verdienten Senator“. Es gebe „keinen Fesselskandal in Hamburg“, stellte Spethmann klar und versicherte den Parlamentariern: „Entwürdigende Behandlungen würden nicht auf die Billigung der CDU-Fraktion treffen.“

Der Senator selbst behauptete, „es gibt meines Wissens keinen derartigen Vorfall“. Denn würden „Gefangene entkleidet, um sie zu demütigen, wäre das Folter“, räumte Kusch ein. In Hamburgs Strafvollzug jedoch würden „zwei Maximen“ gelten: „größtmögliche Sicherheit und Wahrung der Menschenwürde“. Und beides, versicherte der Senator, sei gewahrt.

Was die rot-grüne Opposition nicht wahrhaben wollte. In einer 90-minütigen Debatte listete sie lang, breit und detailliert eine Chronik der Verfehlungen und Skandale des Senators auf, die bereits im Jahr 2003 zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) „Schwarzer Filz“ geführt hatte. Der Ausschuss war wegen der Neuwahlen vor zwei Jahren ergebnislos abgebrochen worden, hatte aber zuvor ergeben, dass Kusch „eine Politik aus Fehlern, Vetternwirtschaft und Mobbing“ betreibe, wie das PUA-Mitglied Günter Frank (SPD) in der gestrigen Debatte erinnerte.

Seinen Parteigenossen, Innenpolitiker Andreas Dressel, veranlasste die stundenlange Fesselung nackter Gefangener gar zu einem nahezu anarchischen Vergleich: Für Hamburgs Strafvollzug wäre viel gewonnen, so Dressel, „wenn sich Senat und CDU der Vermeidung rechtsfreier Räume in den Gefängnissen nur halb so viel widmen würden wie seinerzeit bei der Roten Flora und den Bauwagenplätzen“.

Mit Schweigen übergingen Kusch, Spethmann und am Ende auch noch CDU-Fraktionschef Bernd Reinert die Vorhaltungen von SPD und GAL über eine am Dienstag erfolgte Beförderung. Kusch hatte den Leiter seiner Präsidialabteilung zum Leitenden Regierungsdirektor ernannt und mit der Leitung einer neuen Stabsstelle Rechtspolitik und Rechtsprüfung betraut.

Ein solcher Rang mit der Besoldungsstufe A16 kann gewöhnlich frühestens nach acht bis zehn Dienstjahren erreicht werden. Der 31-jährige Jurist aber ist erst seit Februar vergangenen Jahres in der Justizbehörde, zuvor war er Referent der CDU-Fraktion.

Für den roten Klooß ist das „ein Fall von Parteibuchwirtschaft in Reinkultur“, für den grünen Steffen „klar ein Fall von Filz“. Spethmann findet das hingegen „in Ordnung“. Normalerweise sei eine solche Position noch höher besoldet, so aber werde Geld gespart.

Nicht in Ordnung fand Spethmann die Vorwürfe von SPD und GAL gegen Kusch. Diese seien wahlweise „Brandstiftung“, billige Polemik“ oder schlicht „schizophren“. Das wiederum fand Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) nicht in Ordnung und rügte seine Fraktionskollegin mit einem förmlichen Ordnungsruf.