Arbeitskampf weitet sich aus

Vorläufiger Höhepunkt im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes: Rund 6.000 Hamburger Beschäftigte treten in den Ausstand. Ver.di-Bundeschef Bsirske fordert Bürgermeister zum Müllsammeln auf. Bestreikt werden erstmals auch Schwimmbäder

von Kai von Appen

Messehalle 4 – gestern Mittag: Auszubildende der städtischen „Hamburg Port Authority“ erklimmen, in Streiktüten der Gewerkschaft ver.di gehüllt, die Bühne. Ihre Sprecherin ergreift das Mikrofon: „Jede Minute Mehrarbeit verhindert unsere Chance auf Übernahme“, ermahnt sie mit erregter Stimme. „Wir müssen das Zepter in die Hand nehmen, um den Dammbruch zu verhindern“, fordert sie weiter: „Arbeitszeitverlängerung verbaut unsere Zukunft.“ Worte, die schon vor dem Auftritt von ver.di-Bundeschef Frank Bsirske den Nerv der mehr als 4.000 Menschen treffen, die sich zur Streikkundgebung auf dem Messegelände versammelt haben.

Mehrere Gewerkschaften hatten morgens zum „XXL-Streiktag“ im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes aufgerufen, um in der zweiten Streikwoche gegen unbezahlte Mehrarbeit und den damit befürchteten Verlust von rund 3.000 Jobs ein Fanal zu setzen. Neben dem unbegrenzten Streik bei der Stadtreinigung hatte ver.di die Angestellten in Behörden, den 25 Bäderland-Schwimmhallen, in Museen und staatlichen Bibliotheken sowie von drei Asklepios-Kliniken dazu aufgerufen, in den Ausstand zu treten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte zudem angestellte Lehrkräfte, ErzieherInnen und PädagogInnen zum Streik aufgefordert. Laut GEW-Chef Klaus Bullan beteiligte sich ein Viertel des Personals am Protest, an einigen Sonderschulen fiel der Unterricht aus.

Zum unbefristeten Streik hatte überdies die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Polizeiangestellten aufgerufen – vom Knöllchen- und Verkehrsordnungsdienst über den Objektschutz bis hin zur Spurensicherung bei der Kripo. Insgesamt streikten gestern mehr als 6.000 Hamburger Angestellte.

Nachdem er morgens bereits zwei Streikversammlungen der Müllabfuhr besuchte, bietet sich Bsirske beim Eintreffen auf der Kundgebung mal ein ganz anderes rot-grünes Bild: Rund 4.000 Streikende, zum Teil mit roten ver.di- und grünen GdP-Kappen, die ihm mit Fahnen und Rasseln einen euphorischen Empfang bereiten. „Es reicht, es ist Zeit Flagge zu zeigen und Grenzen zu setzen“, heizt er die Stimmung an.

An mehreren Fallbeispielen aus der Republik führt der Gewerkschaftschef aus, dass Mehrarbeit Arbeitsplätze vernichte. Würden den Arbeitgebern „keine Grenzen gesetzt“, so Bsirskes düstere Prognose, würden sie demnächst wieder die 48-Stunden-Woche verlangen. „Nicht mit uns, jetzt ist hier Schluss.“ Bürgermeister Ole von Beust schlägt Bsirske vor, auf einer 20-Kilometer-Tagestour Mülltonnen zu entleeren: „Dann überlegt er sich vielleicht, ob er die Arbeitszeit verlängert.“

Für den ver.di-Vorsitzenden ist das Verhalten der Arbeitgeber „Provokation“. Sie hätten den Konfrontationskurs gesucht – „wir haben ihn angenommen“. Er ist sicher, dass ver.di das Kräftemessen für sich entscheiden und langen Atem behalten werde. Bsirske: „Diesen Konflikt stehen wir durch, es geht weiter, das ist die Botschaft aus Hamburg.“