: Dampfen und dümpeln
Das zweitklassige deutsche Eishockeyteam verpasst den Einzug ins olympische Viertelfinale. Bundestrainer Uwe Krupp will nach dem „sehr aufschlussreichen“ Turnier das Team nun verjüngen
AUS TURIN FRANK KETTERER
Anschließend stand Stefan Ustorf in der Mixed-Zone, und sein gepolsterter Körper dampfte noch von der Anstrengung des Spiels. Mit 0:2 hatte die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft ihr letztes Gruppenspiel gegen Finnland verloren, und auch wenn dieses Ergebnis nicht schlecht war, so war die Erkenntnis Ustorfs doch eher eine bittere: „Es war das Olympia der ungenutzten Möglichkeiten. Augenblicklich gehören wir nicht zu den Top-8-Nationen“, sagte der Berliner und dampfte weiter.
Es war eine ebenso knappe wie treffliche Analyse dessen, was die Deutschen zu Wege gebracht hatten im olympischen Turnier. Zum Auftakt gegen Tschechien (1:4) und Kanada (1:5) sowie am Ende gegen die Finnen gab es durchaus einkalkulierte Niederlagen, gegen die Schweiz (2:2) und Italien Unentschieden. Vor allem das 3:3 gegen die Gastgeber wurde von den deutschen Spielern im Nachhinein als unnötig empfunden, an der Gesamtsituation nach fünf Vorrundenspielen hätte freilich auch ein Sieg nichts geändert: Auch dann wäre der DEB-Tross auf Rang fünf gelandet – und hätte das Viertelfinale verpasst, das vor vier Jahren noch drin war.
Als Weltuntergang wollte das dennoch keiner der deutschen Spieler gedeutet wissen. „Wir können so weit zufrieden sein, auch wenn wir ein bisschen mehr erwartet hatten“, stellte Tino Boos fest. An der unberührten Art, mit der der 30-jährige Center von den Kölner Haien sein Sätzlein aufsagte, konnte man auch dies heraushören: Mit mehr hatte eh keiner im Team gerechnet. Wie hätte man auch können, ohne sich des Verdachts auf Größenwahn verdächtig zu machen? Die deutsche Mannschaft hat es durch Platz 15 bei der WM im letzten Jahr in die Zweitklassigkeit getrieben, da ist man nicht schlecht beraten, wenn man den Puck flach hält, am Boden.
Dort liegt er für das deutsche Team nach dem olympischen Turnier, auch wenn Christoph Schubert, NHL-Profi bei den Ottawa Senators, fand: „Der Abwärtstrend ist gestoppt.“ Das könnte durchaus damit zu tun haben, dass das deutsche Team ohnehin ganz unten angekommen ist; allzu viele Hinweise auf einen Aufwärtstrend waren in Turin nicht zu sehen. Für Uwe Krupp, den einzigen deutschen Stanleycup-Gewinner und noch recht neuen Bundestrainer, war es so oder so „ein sehr aufschlussreiches Turnier“, weil er nun zum ersten Mal als Verantwortlicher miterlebt hat, was seine Spieler im Ernstfall zu leisten in der Lage sind – und vor allem: was nicht. Tränen der Freude dürften dem Bundestrainer die Aufschlüsse nicht unbedingt in die Augen getrieben haben, und gepackt hat er das in den Satz: „Man hat nun mal nur die Spieler, die man hat. Aber mit Disziplin, Einsatz und einem guten Konzept kann man immer zu Chancen kommen.“ Krupp hat immerhin erkannt, dass er für eine Fortsetzung des Offensivwahns seines gnadenlos gescheiterten Vorgängers Greg Poss schlichtweg nicht die nötige Qualität im Kader hat; vom Poss-Harakiri, das den Deutschen die Zweitklassigkeit ja erst eingebrockt hatte, war in Turin nichts mehr zu sehen. Vielmehr fand Krupp: „Es gab gute Ansätze, auch wenn es dafür keine Punkte gab.“
Trotz aller guten Ansätze geblieben ist die nahezu notorische Torflaute der deutschen Mannschaft. „Unsere Mannschaft tut sich mit dem Toreschießen schwer“, hat entsprechend Franz Reindl erkannt, nur sieben Treffern in fünf Vorrundenspielen bestätigen den Verdacht des DEB-Sportdirektors. „Tore kann man nicht erzwingen, nur Torchancen“, stellte Krupp auch deswegen fest, über Konsequenzen bei der künftigen Besetzung der Sturmreihen scheint er dennoch nachzudenken. Besonders die jungen Offensivkräfte Florian Busch (21) und Alexander Barta (23) haben dem Bundestrainer gefallen, enttäuscht zeigte sich Krupp hingegen von den etablierten DEL-Toptorschützen Kathan und Kreutzer. „Er wird die Mannschaft überarbeiten“, ist sich Sportdirektor Reindl sicher. „Von der Tendenz her werden wir noch jünger“, bestätigte prompt der Bundestrainer. Schon in Turin schickte Krupp eine Truppe mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren und somit das jüngste Team von allen aufs Eis. Weiterhin angehoben werden wird dieser Wert freilich vom Mann in der Kiste: Olaf Kölzig, 35 Jahre alt und sonst Goalie bei den Washington Capitals, war auch in Turin der einzige Weltklassespieler der DEB-Equipe. „Wir haben einen der besten Torhüter der Welt“, weiß auch Krupp, und nicht wenig ankommen auf diesen Eis-Titan wird es bei der B-WM Ende April im französischen Amiens. „Dort“, sagt Krupp, „ist unsere Mission eindeutig der Wiederaufstieg.“
Die Mission der kanadischen Mannschaft in Turin ist eine ungleich größere. Nichts anderes als der Olympiasieg wird erwartet, und dass das Team Canada nach der Vorrunde nur auf Rang drei lag und im gestrigen Viertelfinale auf Russland traf (bei Redaktionsschluss nicht beendet), erschreckte Fans und Journalisten beinahe so sehr wie der Wettskandal in der NHL, in den ausgerechnet die Ehefrau von Eishockey-Gott Wayne Gretzkys verstrickt sein soll.