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Archiv-Artikel

Hoffnung für abgeschobene Marokkanerin

FRANKREICH Staatschef Sarkozy bietet 19-jähriger Najlae Rückkehr an. Sie hatte vor ihrem gewalttätigen Bruder bei der Polizei Schutz gesucht und war stattdessen wegen fehlerhafter Papiere ausgewiesen worden

PARIS taz | Pünktlich zum internationalen Frauentag hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sein Herz auch für eine zwangsabgeschobene Marokkanerin entdeckt. Bei einem Empfang erklärte er, Frankreich sei bereit, die 19-jährige Najlae aufzunehmen, wenn sie dies wünsche.

Najlae kam 2005 überstürzt nach Frankreich, ohne sich um Formalitäten zu kümmern. Denn sie entging mit ihrer Flucht gerade noch einer von der Familie arrangierten Zwangsheirat mit einem Cousin. In ihrem französischen Exil absolvierte sie eine Berufsmittelschule für das Hotelgewerbe.

Der familiären Bevormundung konnte sie sich aber auch da nicht ganz entziehen, da sie bei einem Bruder wohnte, der sie überwachte und bei geringsten Anlässen bestrafte. Auch als er Mitte Februar eine Zigarettenkippe in ihrem Zimmer fand, schlug er wieder zu. Auf Fotos, auf denen ihr verschwollenes Gesicht mit Blutergüssen zu erkennen ist, hat Najlae dies als Beweis festgehalten.

Auf Anraten ihrer Mitschülerinnen in der Nähe von Orléans ging sie damit zur Polizei, um Schutz vor ihrem gewalttätigen Bruder zu suchen und Klage gegen ihn zu einzureichen. Statt ihr zu helfen, nahmen die Beamten Najlae umgehend in Abschiebehaft. Denn bei der routinemäßigen Kontrolle ihrer Ausweispapiere entdeckten sie, dass gegen Najlae ein Ausweisungsbefehl ergangen war. Drei Tage später wurde sie ins Flugzeug gesetzt und nach Marokko ausgeflogen, noch bevor ihre Freunde und die von ihrem Fall informierten Frauenorganisationen intervenieren konnten.

Najlaes Ausweisung war um so unverständlicher, als vor wenigen Tage die Abgeordneten ein Gesetz verabschiedet haben, das bei Gewalt in der Familie und Zwangsheirat Frauen mehr Schutz gewähren soll. Für Staatssekretärin Fadela Amara, eine der Gründerinnen der Bewegung „Ni Putes ni Soumises“, ging es da um die Ehre Frankreichs. Während die heutige Vorsitzende von „Ni Putes ni Soumises“ Sarkozy dankte und sagte, Najlaes Rückkehr sei eine „Botschaft für alle geschlagenen Frauen, dass sie zur Polizei gehen und klagen können“, meinte der sozialistische Parteisprecher Harlem Désir, es sei bedenklich, dass in Frankreich das Recht eines misshandelten Mädchens auf Schutz durch die Republik vom Gutdünken des Staatsoberhauptes abhänge. RUDOLF BALMER