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Archiv-Artikel

Das Runde muss ins Runde

IM GRÜNEN Golfen ist nur was für Snobs? Das hat auch unser Autor mal gedacht. Bevor er einen Golfbauernhof besuchte. Hier versöhnte er sich mit dem Sport – per Fußball

Der Städter denkt: Ich, Tiger Woods. Aber er denkt auch: Ich, Pierre Littbarski. Im Fußballgolf ist alles möglich

VON NICO CZAJA

Der Blick des Städters geht weit, ungehindert gleitet er über das flache Land. Über grob gemähtes Gras und blühende Wildwiese bis zum Horizont, wo ein Windrad langsam mit den Armen rudert. Schließlich fixiert er die kleine Fahnenstange. Der Wimpel weht lustlos nach halblinks, mäßiger Süd-Südwestwind, keine Frage, das wird der Städter berücksichtigen müssen. Er atmet tief ein und sieht im Geist den Ball schon fliegen: Über den Graben, zwischen den hölzernen Hindernissen hindurch und mit einem zutiefst befriedigenden Klackern ins Loch hinein – wie an einer Schnur gezogen. Er denkt: Ich, Tiger Woods. Aber er denkt auch: Ich, Pierre Littbarski. Im Fußballgolf ist alles möglich.

Mein Fuß trifft den Ball, und es reißt das Leder quer in die Böschung. Nicht zum ersten Mal. Nicht zum letzten. „Doch nicht mit der Pieke, dann hast du keine Kontrolle!“, sagt einer meiner Begleiter. Er ist neun Jahre alt und vom Fach. Ich bin nicht vom Fach.

Und Golf? Ich hatte mal einen unsympathischen Nachbarn, und immer, wenn ich Leuten veranschaulichen wollte, wie unsympathisch der war, habe ich erzählt, dass man ihn jedes Wochenende dabei beobachten konnte, wie er in doofer weißer Kleidung aus dem Haus federte, mit dynamischem Schwung seine Golftasche auf den Rücksitz seines Cabrios warf und nach, hm, St. Andrews fuhr. Kurz: Ein Snob eben.

Aber unter der Patina dieses umgekehrten Standesdünkels, so ehrlich muss ich sein, verbargen sich schon immer ein bis zwei Gran waschechten Neids. Die schöne Haltung beim Schwung, die das Auge beschattende Hand an der Stirn, der Parabelflug des Balls über die von kundiger Hand gestaltete Landschaft– und nicht zuletzt die lustigen kleinen Elektroautos. Golf ist nicht frei von Reizen. Wer etwas anderes sagt, lügt.

Insofern können wir dünkelhaften Neider dankbar sein, dass der Hybrid Fußballgolf diese wenn nicht schon aus finanziellen, dann sicherlich aus Standesgründen für unsereins unerreichbare Sportart vom Olymp der Snobs hinunterholt und mit einem angenehm bodenständigen Makeover versieht.

Hier mag es an schöner Haltung und Parabelflug fehlen, leider auch an lustigen Elektroautos, aber sonst bietet der sogenannte „Golfbauernhof“ in Wiemersdorf, etwa 50 Kilometer außerhalb von Hamburg, alles, was man sich von einer Annäherung an den Golfsport gleichsam von unten her wünschen könnte.

Vierzehn Bahnen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, an denen entlang man über die blühenden Felder spaziert, während sich am weiten Himmel Wolken und Sonne aufs Herrlichste abwechseln. Picknicktische und Grillplätze und, sehr sympathisch, ein Briefkasten, in den der Golfer angehalten ist, den entsprechenden Obolus hinein zu entrichten, wenn er außerhalb der Öffnungszeiten auftaucht. Dann muss er auf die Bewirtung mit Kaffee und Kuchen verzichten, kann sich aber ungehindert Bälle und „Scorecards“ greifen und sein Spiel spielen – angenehm berührt vom Vertrauensvorschuss der Hofbetreiber.

Vor diesem gelungenen Hintergrund wundert es sehr, dass wir die einzigen Spieler bleiben an diesem Montag in den Ferien. Vielleicht eineinhalb unterhaltsame Stunden lang versenken wir Bälle in Boden-, Ast-, Sandlöchern und auch – unter großem Hallo und vielerlei schlüpfrigen Anmerkungen – in einem ausgedienten Dixie-Klo. Dann erreichen wir die letzte Bahn und es beginnt zu regnen.

Erschwerte Bedingungen! Hier muss durch einen erhöht angebrachten Traktorreifen geschossen werden. Auch ohne erschwerte Bedingungen schon extrem schwer! Ich: Innenseitstoß, bämm – und die Pille gleitet lautlos hindurch, wie auf Schienen. Ein großer Moment in der Geschichte des Fußballgolfs.

Natürlich verliere ich das Spiel haushoch. Aber als ich den Parcours verlasse, bin ich vielleicht doch ein bisschen mehr wie Tiger Woods geworden, und ein bisschen mehr wie Pierre Littbarski. Das Beste aus beiden Welten. Was kann man von einem Ausflug ins Grüne mehr erwarten?

Auf dem Weg zum Parkplatz begegnen wir einer Familie mit zwei Jungen. Sie tragen Fußballkleidung und gehen mit der unschuldigen Arroganz und Lässigkeit derjenigen, die wissen, wie sie einen Ball zu treten haben. Meine Sorge um den Nachwuchs des inzwischen von mir hochgeschätzten Fußballgolfsports und um die Laufkundschaft des Golfbauernhofes zerstreut sich ein wenig.

Bleibt nur der Vorsatz eines weiteren Besuchs, an dem man bei hinreichender Windstille das Frisbeegolf ausprobieren kann, oder gar das „Auenlandgolf“, was immer das sein mag. So oder so: Eine schöne neue Aufgeschlossenheit wärmt mir die Brust, und über den Graben der Jahre hinweg möchte ich meinem Nachbarn von damals versöhnlich die Hand entgegenstrecken und sagen… tja, was? Sowas wie „Gut Holz“ oder „Petri Heil“, aber eben für uns Golfer. „Hau rein“ vielleicht.