: Voll trendy: Komasaufen
Karneval ist da, und damit „Binge-Drinking“, Kampftrinken und Vollrausch. Gerade bei Jugendlichen ist die Narrenzeit ein willkommener Anlass sich exzessiv zu besaufen
VON SIMON LENARTZ
Bilanz nach dem Tag eins im Karneval: In Köln mussten am Donnerstag vier jugendliche Alkoholleichen ins Krankenhaus, 103 Mal wurden Teenager mit verbotenen Getränken erwischt und letztere an Ort und Stelle ausgekippt, 15 Gaststätten verstießen gegen das Jugendschutzgesetz. In Aachen sackte die Polizei zehn alkoholisierte Teenies ein. In Bonn und Münster gab es dagegen kaum Probleme mit jugendlichen Trunkenbolden. Insgesamt ist die Zahl der Alkoholexzesse in NRW im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig, meldeten die Rettungsdienste.
Dennoch: „Wir können keine Entwarnung geben“, sagt Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). „12- bis 17-Jährige trinken pro Woche durchschnittlich 35,7 Gramm reinen Alkohol. Das ist eine Zahl, die wir nicht akzeptieren können.“ Ein Drittel aller Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren hatte schon Mal einen Vollrausch – durchschnittlich zum ersten Mal mit 14.
Mit der Kampagne „Keine Kurzen für Kurze“ versuchen die Städte Köln und Bonn daher seit 1999 die Zahl der jugendlichen Alkoholsünder zu senken. Bisher mit durchwachsenem Erfolg. „Ich weiß, dass wir bestimmte Jugendliche nicht erreichen, aber ich hoffe, dass wir die Exzesse vermeiden können“, sagt Guido Kahlen, der Leiter des Dezernats für Kinder, Jugend und Sport der Stadt Köln. Die 40.000 Euro teure Kampagne in Köln und Bonn richtet sich in erster Linie an Erwachsene. „Eltern müssen Vorbilder sein, Erwachsene Zivilcourage zeigen, Kneipiers und Tankstellenbesitzer das Jugendschutzgesetz beachten“, so Kahlen. Mit Aktionen für Jugendliche, wie dem alkoholfreien open air-Konzert „Jeck-Dance“, wolle man aber ebenso zeigen, dass es auch ohne Alkohol geht. „Ich glaube, dass sich die Zahl der jugendlichen Alkoholleichen in diesem Jahr verringern wird“, sagt Kahlen. Kölscher Optimismus eben.
In Münster setzt man vor allem auf Sensibilisierung der Kids: „Wir wollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen“, sagt Astrid Eikel von der städtischen Fachstelle für Suchtvorbeugung. „Wir sagen ganz bewusst ‚Voll ist out‘, nicht ‚Alkohol ist out‘“, erklärt sie das Ziel der Präventionskampagne „Voll ist out“, die im letzen Jahr startete. „Alkohol ist in unserer Gesellschaft etabliert, das lässt sich nicht so einfach bekämpfen.“ Man wolle langfristig eine Veränderung des Trinkverhaltens bewirken, so Eikel. „Man kann ja nicht davon ausgehen, dass man eine Kampagne macht, und schon gibt es weniger betrunkene und besoffene Jugendliche.“
Wie in Köln und Bonn läuft auch die Kampagne in Münster das ganze Jahr über, zu Karneval werden die Aktionen nur verstärkt. Dass die jugendlichen Alkoholleichen an Karneval deswegen nicht sofort verschwinden, weiß man auch in Münster. Was man nicht weiß, ist, wie viel die Plakate in den Bussen, die Aktionen in den Kneipen und die Fortbildungen in den Schulen tatsächlich bewirken.
„Aber jeder Ansatz ist wichtig“, erklärt Elisabeth Pott. „Viele Jugendliche schätzen die gesundheitlichen Risiken völlig falsch ein. Man hat den Eindruck, zu Karneval gehört Alkohol einfach dazu. Das ist fatal, denn schon geringe Mengen sind gesundheitsschädlich und schädigen die Gehirnzellen.“ Dass Alkohol dumm macht, wissen zwar viele, gesoffen wird aber trotzdem. Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) schätzen einen Alkoholrausch zwar als gefährlich ein, 34 Prozent hatten aber schon einen Vollrausch. Nach den närrischen Feiertagen werden es noch einmal mehr sein.
Denn die meisten Städte und Gemeinden bieten Jugendlichen nur recht wenig Ersatzprogramm. Alkoholfreie Partys und Aufklärungskampagnen mit den Vorbildern der Jugendlichen, wie es Michael Klein fordert (siehe Interview), gibt es nur wenige. Oft bleibt es beim Appell, das Jugendschutzgesetz zu beachten. Insofern sind die Kampagnen in Bonn, Köln und Münster schon ganz weit vorne. „In diesem Jahr haben wir erstmals bekannte Künstler wie die Höhner und Bläck Fööss mit an Bord“, berichtet Kahlen, „im nächsten Jahr versuchen wir dann, die Kampagne auf das Umland auszuweiten.“