Studenten in Bewegung gestoppt

DEMOKRATIE AN DER UNI

Als die Studentenbewegung sich 1967 radikalisierte und auch aus den Unis raus zum Proletariat hin orientierte, kreierte die mitregierende SPD eine Hochschulreform. Um der studentischen Kritik an der Professorenherrlichkeit („Unter den Talaren – der Muff von 1.000 Jahren“) den Wind aus den Segeln zu nehmen, griff sie die demokratische Forderung nach der Drittelparität (also Studenten, Mittelbau, Professoren) in den Uni-Gremien auf. Sodann wurden ein Dutzend „Reformuniversitäten“ gegründet, in deren Planungsstäben auch herausragende studentische „Rädelsführer“ Arbeit fanden. Die beriefen weitere als Lehrende. Die Drittelparität aber wurde dann trotz gemeinsamer Streiks von Professoren und Studenten für „verfassungswidrig“ erklärt. Und in der Folgezeit bemühten sich die Professoren lieber um Drittmittel.

Nach der Wende wurden die (letzten) „Linken“ derart reintegriert, dass sie die Lehrstühle der an den Ost-Unis „rausgegauckten“ Wissenschaftler besetzten. Der Sozialwissenschaftler Peer Pasternack stellte im Rahmen seiner Doktorarbeit über die Wende in den Ost-Unis fest, dass die West-68er dort üppig „Drittmittel aus Westdeutschland“ akquirierten, für die sie „der Politik ohne Hemmungen sogar konkrete Handlungsanleitungen in Form von Aufstands-Präventions-Konzepten für Betriebsschließungen lieferten.“

Und für die Studenten wurde mit dem Bologna-Prozess 2010 die Amerikanisierung der Unis in der EU durchgesetzt. Eine völlige Verschulung und Verteuerung des Studiums. Dazu noch selektiv wirkend. Die Studenten aber freuen sich trotzdem auf das Bachelor-Ritual am Ende, wenn sie als Absolventen mit einem Talar (!) lachend schwarze Hüte mit Bändern dran in die Luft werfen und sich dabei fotografieren lassen.

Zwar regte sich dagegen hier und da Widerstand, aber dennoch wunderte man sich, als die Forderung nach Viertelparität aufkam – und der Akademische Senat der Technischen Universität sie sogar beschloss. Dazu hatte man das einst abgelehnte dreigliedrige Mitbestimmungsmodell um „sonstige“ Mitarbeitende erweitert. Diese Woche jedoch erklärte der TU-Präsident den Beschluss für ungültig, auch an der Humboldt-Uni lehnten die Professoren diese ungehörige Forderung nach Mitbestimmung jetzt „mehrheitlich“ ab. Sie berufen sich auf eine Einschätzung des SPD-Wissenschaftsstaatssekretärs Knut Nevermann. Der hatte 1967 noch auf dem SDS-Kongress über „Bedingung und Organisation des Widerstands“ räsonniert. HELMUT HÖGE