kleine heinekunde (4) : Banause finanziert Dichter
Die Kunst war für Heinrich Heine zwar nicht brotlos, doch den Belag spendierte zeitlebens sein steinreicher Onkel Salomon
Warum hatte er eigentlich immer Geld? Wie lebt man im 19. Jahrhundert von Gedichten und politischem Journalismus?
Gar nicht. Zwar war Heine einer der bestbezahlten Dichter seiner Zeit: Für seinen „Romanzero“ bekam er von seinem Verleger Campe sogar 12.000 Francs (zur gleichen Zeit verdiente ein Handwerker in Frankreich zwischen 600 und 900 Francs pro Jahr). Doch Gedichtbände lassen sich nicht einfach so hinschmieren, und vor den Zeiten des Urheberrechtes gab es nur eine einmalige Zahlung für Manuskripte, egal, wie viel verkauft wurde. Auch für den Journalismus bekam er mit 0,25 Francs pro Zeile mehr als die meisten Kollegen, aber das Leben in Paris war teuer. „Ein widerwärtiger Leichengeruch herrscht in meiner Börse“, schrieb Heine 1846.
Der Geruch, der ihn da anwehte, hatte eine Menge damit zu tun, dass seine Frau Mathilde, wie er immer wieder schrieb, nicht mit Geld umgehen konnte und eine Leidenschaft für teure Brüsseler Spitzen und modische Kleider hatte. Was er nicht dazu sagte, war, dass er selbst immer wieder Geld an bedürftige deutsche Emigranten verlieh und gern in geselliger Runde in den teuersten Restaurants von Paris dinierte. Gelebt hat Heine sonst eher bescheiden: in möblierten Wohnungen, erst kurz vor seinem Tod zog er in einen besseren Stadtteil – doch dafür ließ er sich auf dumme Spekulationen ein.
Seinen Lebensunterhalt finanzierte vielmehr sein Onkel, der ungebildete, kulturlose, viel geschmähte Salomon Heine, der nicht einmal die deutsche Grammatik beherrschte („Der Mann der Dein Name führt“ unterschrieb er seine Briefe sarkastisch). Onkel Salomon verstand zwar nichts von Dichtung und befand über seinen Neffen „Hätt er was gelernt, bräucht er nicht schreiben Bücher“, aber er zahlte trotzdem, ein Leben lang. Er hatte seinen jungen Neffen bei sich aufgenommen und ihm ein Manufakturwarengeschäft gekauft (Heinrich ging pleite), hatte ihn Jura studieren lassen (Heinrich wurde Schriftsteller) und zahlte ihm danach jährlich 4.800 Francs.
Seine Abhängigkeit von einem Banausen, der ihn immer noch behandelte wie einen ungezogenen Bengel, hat Heine dem Onkel nie verziehen. „Ich habe wahrhaftig um zu dem Ansehen, das ich in der Welt erlangt, der Beyhülfe meiner Familie nicht bedurft; daß aber die Familie nie das Bedürfniß fühlte dieses Ansehen, und sey es auch in den kleinsten Dingen, zu befördern, ist unbegreiflich“, klagte der seit Jahren auf Onkels Kosten lebende Heinrich seinem Bruder Maximilian in einem Brief. Als der steinreiche Salomon Heine 1844 starb und dem Neffen nur eine kleine Summe hinterließ, fühlte sich dieser tief verletzt und drohte den Nachkommen, er würde seine Memoiren veröffentlichen und sie alle unmöglich machen, wenn er nicht seine Abfindung weiterhin bekommen würde. Er bekam.
Dann war da noch die Geschichte mir der Staatspension. Nach der Revolution von 1848 wurde bekannt, dass Heine vom französischen Staat, über den er nicht wirklich viel Unfreundliches sagte, schon lange ebenfalls 4.800 Francs per annum bekommen hatte. Für das Image des unabhängigen Journalisten Heine war das ein schwerer Schlag, aber mit der Unabhängigkeit war es auch sonst nicht sehr weit her. Baron James Rothschild hat ihn sehr wahrscheinlich großzügig dafür entschädigt, seine Geschäftsinteressen nicht zu stören, und 1844 stahl Heine sogar im Büro seines Verlegers Campe ein gegen Rothschild gerichtetes Manuskript. Kurz darauf bekam er von dem Bankier Eisenbahn-Aktien, die 20.000 Francs Gewinn brachten. Auch von Giacomo Meyerbeer bekam er Geld für eine positive Besprechung einer Oper.
Arm ist Heine also nie gewesen, wenn er auch seinen Lebensunterhalt eher durch sublime Chuzpe erwirtschaftete als durch Schriftstellerei. Man kann allerdings auch mit dem Dichter finden, dass ein Geldsack wie Salomon Heine seinem genialen Neffen den Lebensunterhalt schuldete. Tatsächlich verdanken wir Salomon wohl die Existenz eines großen Teils von Heinrich Heines Werken. PHILIPP BLOM