Im Schatten des Vaters

Der Kölner Großverlag M. DuMont Schauberg hadert weiter mit der Rolle seines Prinzipals Kurt Neven DuMont im Dritten Reich. Denn per Wehrmachtsabo profitierte der Verlag vom deutschen Angriffskrieg

aus Köln PASCAL BEUCKER

Es hat lange gedauert. Über 60 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches hat der Kölner Großverlag M. DuMont Schauberg (Kölner Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau, Express) angekündigt, endlich die eigene Geschichte in der Nazizeit „differenziert“ aufarbeiten lassen zu wollen. Hintergrund sind Vorwürfe des Kölner Historikers und Journalisten Ingo Niebel, die das traditionsreiche Familienunternehmen ins Mark getroffen haben: Die Kölner Verlegerdynastie Neven DuMont, heute Zeitungsmonopolist in der Domstadt, inszeniere sich „gern als Opfer der Nazis“. Tatsächlich zähle sie aber „zu den Profiteuren der ‚Arisierungen‘ “, so der Spiegel jüngst unter Berufung auf Niebels Recherchen. Seitdem sehen sich der Verlag und sein heutiger Seniorchef Alfred Neven DuMont unter Erklärungszwang. Denn Niebel kratzt am Mythos, den ausgiebig gepflegt zu haben der Verlag jetzt inbrünstig dementiert: „Die Familie Neven DuMont hat sich nie als Opfer der Nazis inszeniert.“

Als vor drei Jahren das DuMont-Buch „Köln unterm Hakenkreuz“ erschien, schrieb Alfred Neven DuMont in seinem Geleitwort, dies sei „ein Buch gegen das Vergessen und – vielleicht schlimmer noch – das Verdrängen, das seinerseits Törichtes, wenn nicht gar Schlimmeres gebiert“. Zu einer selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen Verlagsgeschichte fehlte ihm aber die Kraft. Nicht, dass man sich vor der eigenen Geschichte im Dritten Reich gedrückt hatte. Doch der Blick war getrübt.

„Mindestens zweimal in seinem Leben“, schrieb Alfred Neven DuMont 1973 über seinen 1967 verstorbenen Vater Kurt Neven DuMont, habe dieser „Unrecht über sich ergehen lassen müssen“: „Zum ersten Mal, als er als überzeugter Demokrat und Liberaler nach 1933 schwer belastet durch sein Bemühen, bis zur letzten Minute das Unheil aufzuhalten, der neuen Bewegung ein Dorn im Auge war.“ Das zweite Mal sei ihm Unrecht widerfahren, als ihm die Alliierten nach dem Krieg „ohne Berücksichtigung seines tatsächlichen Verhaltens“ verboten hätten, weiter als Zeitungsverleger tätig zu sein. Diese Sichtweise zieht sich bis in die jüngste Zeit durch alle Publikationen des Verlags. Und immer wieder taucht auch die Behauptung auf, die Nazis hätten dem Verlag „den Garaus machen wollen“.

Doch eine solche Darstellung basiert vornehmlich auf einer Verdrängungsleistung. Denn sie „vergisst“ zum einen, dass Kurt Neven DuMonts Kölnische Zeitung sich schon vor 1933 vehement für ein Zusammengehen des Bürgertums mit Hitler eingesetzt hatte. Das passt nicht zu dem Bild, ihr Herausgeber habe sich „bis zur letzten Minute“ darum bemüht, „das Unheil aufzuhalten“. In Wirklichkeit erschien konservativen Nationalliberalen wie DuMont die rote Gefahr bedrohlicher als die braune. Auch wird unterschlagen, dass man sich nach anfänglicher Bedrängnis durch die örtliche Nazifiliale schnell mit den braunen Machthabern arrangiert hatte. So konnte der Verlag weiter gute Geschäfte machen – siehe die jetzt in die Kritik geratenen Grundstückskäufe aus vormals jüdischem Besitz.

Ganz klar profitiert hat das Verlagshaus vom deutschen Angriffskrieg. Die Kölnische gehörte zu den wenigen Zeitungen, die die Propagandaabteilung der Wehrmacht für so linientreu hielten, dass sie sie den Frontsoldaten zukommen ließen. In der Verlagschronik von 1969 heißt es prompt: Die Wehrmacht „war nicht nur ein sicherer Zahler, sondern auch ein bequemer Abonnent: Vertrieb und Versand gingen zu [ihren] Lasten.“ Und weiter ist dort zu lesen: „Solche Umstände haben – von der moralischen Widerstandskraft der Verleger und ihrer Mitarbeiter ganz abgesehen – dazu beigetragen, dass die Kölnische Zeitung und der Stadt-Anzeiger noch bis kurz vor dem Einmarsch der Alliierten herausgebracht werden konnten.“ Noch 1969 war die offizielle Abkürzung für die Kölnische Zeitung übrigens KZ.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Verlag ein publizistischer Erfüllungsgehilfe der Nazis war. Unbestritten, dass die Presse im Dritten Reich gleichgeschaltet war – aber wie kann es ein „überzeugter Demokrat und Liberaler“ mit sich vereinbaren, seine Zeitungen für nationalsozialistische Hetzpropaganda herzugeben? „Um zu verstehen, wer er wirklich war“, schrieb 1967 der damalige Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, Joachim Besser, „muss man sich einmal überlegen, wie leicht es sich Kurt Neven DuMont hätte machen können“. Denn, so die Geschichtsklitterung weiter, was hätte es „gekostet, sich bei der Partei anzumelden“? Laut Besser war er aber „so aufrecht und unvernünftig, es nicht zu tun“.

Ein schönes Märchen: Tatsächlich trat Kurt Neven DuMont am 1. Mai 1937 in die NSDAP ein, im Sommer 1944 verlieh ihm das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda sogar das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern verliehen.

Auch nachdem zuerst das Kölner VolksBlatt, dann die taz und der WDR dies schon vor Jahren öffentlich gemacht hatten, fand sich in den Zeitungen von DuMont dazu nie ein Wort. Erst in einer Verlagreaktion zum Spiegel-Artikel fand die NSDAP-Mitgliedschaft erstmals Erwähnung.

Und so fällt der Vorwurf, hier werde ein undifferenzierter Umgang mit der Geschichte“ getrieben, auf den Verlag selbst zurück. Denn es ist unredlich, selbst Belastendes zu verschweigen und gleichzeitig anderen vorzuwerfen, Entlastendes nicht erwähnt zu haben: Dass Kurt Neven DuMont versucht hat, Menschen zu schützen, und auch Menschenleben gerettet hat, wie das der „nicht arischen“ Mutter der heutigen Grünen-Politikerin Anne Lütkes. Das bleibt sein großes Verdienst – und doch leider eben nur die halbe Wahrheit.