Immer mehr Listen gegen die IG Metall

Bei der Neuwahl der Betriebsräte in diesem Frühjahr bekommt die Einheitsgewerkschaft vielerorts Konkurrenz von links. Kompromisse beim Personalabbau haben den Rückhalt der Funktionäre ebenso geschmälert wie die Eskapaden bei VW

AUS RÜSSELSHEIM KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

In dieser Woche beginnt die Betriebsratswahlzeit. Besonders hart wird in der Automobilindustrie um die Stimmen der Beschäftigten gekämpft – nach den bereits vollzogenen oder erst angekündigten Entlassungswellen in der Branche. Dazu kommen die Eskapaden der Betriebsräte bei Volkswagen, die den Glauben der Wahlberechtigten an die Integrität der Arbeitnehmervertreter schwer erschüttert haben.

„Vertrauen ist gut – Betriebsrat ist besser!“, lautet dennoch das Motte, das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seiner Kampagne für die diesjährigen Betriebsratswahlen vorangestellt hat. Anders als der Dachverband ruft dagegen die Einzelgewerkschaft IG Metall ihre Betriebsräte ausdrücklich zum Abwehrkampf gegen neu entstandene Konkurrenzlisten auf. Die Betriebsratswahlen 2006 müssten zu einem „organisatorischen Erfolg für die IG Metall“ werden, heißt es etwa in einem Aufruf der Bezirksleitung für Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und das Saarland. „Erstes Ziel“ müsse es sein, „gegnerische Listen zurückzudrängen“.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitze von Opel, Klaus Franz, erklärte deshalb vor Wochen, man brauche keine anderen Listen. Opposition gegen die Unternehmensleitung sei der von der IG Metall dominierte Betriebsrat schließlich selbst. Innerhalb des Betriebsrats brauche man keine Opposition.

Doch gleich vier andere Listen, darunter eine linke Alternative, formierten sich und wollen der IG Metall die Stimmen der Beschäftigten abjagen. Der „Vorstandsversteher Franz“, so die Kritiker aus dem alternativen Lager, habe sich bei den Verhandlungen um das Restrukturierungsprogramm 2004 von den Bossen über den Tisch ziehen lassen. Knapp 10.000 Arbeitsplätze seien jetzt futsch.

Die Führung von Opel und GM Europe geht gemeinsam mit Franz auch juristisch hart gegen die unabhängige Liste „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB) und deren Betriebsrat Eugen Kahl vor. Für nicht wenige Beschäftigte bei Opel belegt das, dass bei der IG Metall die Nerven blank liegen.

Anders als in manch anderem Betrieb ist die AUB bei Opel keine von der Unternehmensleitung geförderte zahnlose Liste in Opposition zur linken IG Metall. Auf der Website der vor Jahren mit Unterstützung von Siemens gegründeten AUB, die laut Eigenwerbung „Streiks überflüssig machen“ will, sind der renitente Kahl und seine Leute noch nicht einmal aufgeführt.

Ähnlich wie bei Opel ist die Lage bei DaimlerChrysler. Im Zusammenhang mit dem Abbau von Arbeitsplätzen vor allem bei der Mercedes Car Group in Stuttgart und Umgebung formierte sich zu den Betriebsratwahlen eine linke Liste. Auf ihr treten Mitglieder der IG Metall gegen die Liste der IG Metall an. Den jetzt auf der Liste „alternative“ kandidierenden Gewerkschaftsmitgliedern war zuvor verwehrt worden, sich erneut auf der Liste der IG Metall zur Wahl zu stellen. Die Linken der IG Metall im Betriebsrat hatten eine eigene Werkszeitung – alternative – herausgegeben und darin den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Erich Klemm als „Co-Manager“ kritisiert: „Während die Werksleitung täglich neu an der Leistungsschraube dreht und Personal abbaut, ist immer noch keine Gegenwehr in Sicht.“

Aus der Stuttgarter Verwaltungsstelle der IG Metall war zu hören, dass auch über einen Ausschluss der „Sektierer“ nachgedacht werde. Das würde den Mitgliederschwund bei der IG Metall sicher wieder beschleunigen. Knapp 50.000 Beschäftigte kehrten der Gewerkschaft 2005 den Rücken, 2004 waren es sogar 100.000.