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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Die Auswählenden schulen

■ betr.: taz-Panter-Workshop: „Schluss mit dem falschen Verzicht!“ von Claudio Musotto, „Karrierekiller Bildung“ von Carolin Küter, taz vom 8. 3. 10

Da fängt Claudio Musotto an mit dem um fast ein Viertel geringeren Verdienst von Frauen in Deutschland, und frau hofft schon auf kämpferische Aussagen – aber nein, schon ist der Autor wieder in den Chefetagen. Seine Kollegin Carolin Küter macht es umgekehrt: Sie beginnt bei den Führungskräften und endet bei dem geringeren Verdienst. Beiden gemeinsam ist, dass sie zu Letzterem nichts zu sagen haben und sich auf die oberen Plätze der Hierarchie konzentrieren. Und das, was wir da zu lesen bekommen, reißt nicht nur nicht vom Hocker, es ist absolut ärgerlich. Es sind nämlich mal wieder die Frauen selbst, die schuld haben, sich ändern müssen usw. Die wählen nämlich erstens die falschen Ausbildungsgänge und ergreifen dann zweitens die falschen Berufe und sind dann drittens in antrainierte Rollenklischees verhaftet und stellen viertens in Bewerbungsgesprächen ihr Licht unter den Scheffel.

Es müssen sich also mal wieder die Frauen ändern, denn Männer und Menschen in Auswahlgremien sind natürlich über jedes Rollenklischee erhaben. Wie diese Änderung dann die Diskrepanz zwischen Männer- und Frauenlöhnen im gleichen Beruf schließen sollen, erklären uns die Autorin und der Autor nicht. Aber bleiben wir ruhig einmal bei der Situation, die beiden wohl sehr viel mehr am Herzen liegt: bei den Führungspositionen und den Bewerbungen darum.

Da fragt es sich doch: Ist den Artikelschreibenden und der taz-Redaktion denn noch nie der Gedanke gekommen, man/frau könne auch mal am anderen Ende des Bewerbungsverfahrens ansetzen und die Auswählenden schulen, sodass sie Frauen, die sich kleinmachen, mit gezielten Fragen dazu bringen, ihr Licht leuchten zu lassen? Und umgekehrt Bewerbern, die sich im eigenen Glanz sonnen, genauer unter die Lupe zu nehmen, wobei manchmal etwas von dem Licht verlischt?

Nun lassen Sie es sich gesagt sein: Ich bin diesen Weg in meiner Eigenschaft als Staatssekretärin im schleswig-holsteinischen Frauen-, Jugend-, Wohnungs- und Städtebauministerium vor Jahren gegangen. Mit Personalreferent, Personalrat, Gleichstellungsbeauftragten und Behindertenobmann haben wir uns zunächst ganz allgemein über Bewerbungsverfahren und das Vorgehen dabei verständigt und das Allgemeine dann im jeweils konkreten Fall einer zu besetzenden Stelle auf die Vorgehensweise angewendet: vom Ausschreibungstext, über die Auswahl nach den Bewerbungsunterlagen bis hin zu den im Bewerbungsgespräch zu stellenden Fragen und vor allem zur Bewertung der Antworten. Diese einvernehmliche Vorgehensweise führt – oh Wunder – dazu, dass wir überwiegend Frauen haben einstellen können, auch das einvernehmlich!

Warum können taz-Leserinnen und vor allem auch taz-Leser nicht einmal so etwas lesen? Und bitte nicht nur am Internationalen Frauentag! Das fragt sich langsam an den Klischees solcher Artikel verzweifelnd URSULA MÜLLER, Kiel

Verkehrte Welt

■ betr.: „Rüstungskonzern EADS verliert“, taz vom 10. 3. 10

Es bricht mir das Herz: Erst fährt EADS mit dem Transportflugzeug Verluste ein, und dann wird auch noch Boeing mit faulen Tricks im Bieterwettstreit um den Riesenauftrag der Amerikaner bevorzugt. Verkehrte Welt: Waren die Rüstungsaufträge doch bisher ein probates Mittel, um Steuergelder über kaum erkennbare Umwege in den Anus einiger Aktionäre zu pusten. Rüstungsprojekte waren von vornherein darauf angelegt, später und viel teurer ausgeliefert zu werden, wie das Beispiel des Jäger 90 zeigt, der dann in Eurofighter 2000 umbenannt wurde. Unternehmerisches Risiko, das Preissteigerungen und Konventionalstrafen bei verspäteter Lieferung vorsieht, galt nur für andere. Das Gemeine ist: Während die Amerikaner mit einem durchschaubaren Manöver ihrem Konzern den Großauftrag zuschustern, werden EADS nur 3,6 Milliarden Staatsgelder spendiert. Wie deprimierend. CHRISTOF KNODEL, Kiel