Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Bereits zu seinen Lebzeiten warben die Kinoplakate für seine Filme mit dem „goldenen Touch“ des Regisseurs. Man wusste also, was man an Ernst Lubitsch hatte. Doch worin bestand der Lubitsch-Touch? Es war wohl zunächst einmal die Fähigkeit, eine Geschichte lieber anzudeuten, als sie in allen Einzelheiten zu erzählen: Die Verführung in „Trouble in Paradise“ (1932) ohne Protagonisten allein durch eine Reihe von Überblendungen auf Uhren und eine Flasche eisgekühlten Champagners zu zeigen, das konnte wohl wirklich nur Lubitsch, der sein Publikum zu Recht nicht für dumm hielt. In seinen Filmen doppeln sich Bild und Dialog nicht in plumper Weise, stattdessen muss das Publikum mitarbeiten und mitdenken. Zugleich kann man sich immer auch über die geschliffenen, charmant-boshaften Dialoge amüsieren, die schon die Stummfilme auszeichnen („Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen meine Frau vorstelle“ in „Die Bergkatze“ von 1921), und über die ungeheuer originelle Art und Weise, in der Lubitsch auch die geringsten Drehbuchprobleme anging. In der ersten Szene von „Trouble in Paradise“ geht es etwa allein darum, Venedig als Schauplatz zu etablieren. Doch statt Kanälen und singenden Gondolieri zeigt Lubitsch zunächst einmal einen Müllmann bei der Arbeit. Der die Mülltonne dann allerdings umgehend in eine Gondel ausleert und lautstark singend davonfährt. Der Spaß ist eigentlich unendlich. Die Retrospektive im Babylon Mitte wartet nicht nur mit den erhaltenen Filmen des Maestros auf, sondern auch mit seiner Tochter Nicola Lubitsch als Ehrengast. Sie wird am 20. Juli eine Einführung zu „Ninotchka“ (1939) halten. (Trouble in Paradise (OmU) 20. 7.; Die Bergkatze 21. 7. im Babylon Mitte)

Im Grunde ist die Lubitsch-Retro eine Doppel-Retrospektive, gibt es doch parallel im Babylon Mitte Filme zu sehen, zu denen Werner Richard Heymann die Musik komponierte. Wie Lubitsch emigrierte auch Heymann aus Deutschland nach Amerika, in Hollywood schließlich kreuzten sich auch ihre beruflichen Wege. Doch Heymanns ganz große Zeit waren die Tage der UFA-Filmoperetten (eigentlich müsste man sie Musicals nennen) zu Beginn der 1930er-Jahre gewesen: „Ich bei Tag und Du bei Nacht“, „Die Drei von der Tankstelle“, „Ein blonder Traum“, „Der Kongress tanzt“ – wenn sich Stars wie Willy Fritsch, Lilian Harvey und Käthe von Nagy durch die Komödien der Wirtschaftskrisenjahre träumten, dann stammte die Musik zu angestimmten Gassenhauern wie „Wenn ich sonntags in mein Kino geh‘“ von Heymann. Mit Elisabeth Heymann ist auch hier die Tochter des Komponisten als Ehrengast anwesend. (Ich bei Tag und Du bei Nacht 19. 7.; Die Drei v. d. Tankstelle 23. 7. im Babylon Mitte)