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KUNST Die Ausstellung „Paper Weight“ zeigt 15 stilbildende unabhängige Magazine

AUS MÜNCHEN MAREIKE NIEBERDING

Erfolg ist eine Frage des Gewichts. Jedenfalls der wirtschaftliche Erfolg von Magazinen. Je mehr Gramm auf der Waage, desto mehr Anzeigen im Heft. In der Ausstellung „Paper Weight“ im Haus der Kunst in München ist jedes der gezeigten Magazine über die Jahre dicker geworden. Fett sind aber nur manche, wie das Berliner Heft 032c – vom Fanzine zum 300 Seiten starken Hochglanzmagazin.

„Paper Weight“ präsentiert 15 unabhängige Magazine seit der Jahrtausendwende – wie Encens, Fantastic Man, Toilet Paper oder Apartamento. Eine Bandbreite, die laut dem Direktor des Hauses, Okwui Enwezor, auch der Digitalisierung zu verdanken ist: „Die Prophezeiung, Online würde Print umbringen, hat genau das Gegenteil bewirkt: die stark konzeptuelle, eigensinnige und handwerklich hochwertige Gestaltung von spezialisierten Magazinen.“ Das Internet habe die Produktionskosten für Kommunikation, Vertrieb und Datenverkehr verringert und damit den Boom erst ermöglicht.

Der Kurator der Ausstellung, Felix Burrichter, ist selbst Magazinmacher und gibt in New York das Heft Pin-Up heraus. Burrichter hat früher als Architekt gearbeitet, entsprechend räumlich ist sein Ausstellungskonzept: Die Hefte sind begehbar. Der Besucher betritt jedes Magazin in Form einer überdimensionalen Doppelseite, die die Herausgeber selbst gestaltet haben. Die Vorderseite zeigt das Cover, die Innenseite stellt die Heftphilosophie vor. Dies gelingt den Magazinmachern unterschiedlich gut. Die vom New Yorker Magazin White Zinfandel nutzen den Raum, um das, worüber man im Heft sonst nur schreibt, tatsächlich zu zeigen: In ihrer Installation läuft ein Film des französischen Künstlers Item Idem, in dem ein Wettesser Weintrauben in sich hineinstopft. White Zinfandel, selbst eher Kunst als Kunstmagazin, und seine Macherin Jiminie Ha stehen auch exemplarisch für den Werdegang vieler Herausgeber. Die meisten sind Kuratoren, Grafikdesigner oder Künstler und keine Journalisten.

Doch weil die Magazinmacher selbst die Hoheit über ihre Präsentationen hatten, funktioniert Burrichters Konzept vom „Themenpark der Magazine“ nicht immer. Das verhindert eine kritische Auseinandersetzung mit einigen Heften. Bei Fantastic Man und Gentlewoman, die nur Porträts aus dem Heft und bisherige Ausgaben in einer Vitrine zeigen, ist die Eigendarstellung nicht viel aussagekräftiger als ein Messestand.

Was die Ausstellung dafür sehr gut zeigt, ist, wie Hefte aus der Nische, etwa das Butt Magazine, das 2001 als schwules Fanzine aus Amsterdam begann, binnen wenigen Jahren zum Bindeglied einer ganzen Szene werden. Die Nische wird global, weil die Magazine auf Englisch erscheinen. „Noch sind wir klein genug, um keine Konkurrenz für die großen Verlagshäuser zu sein“, sagt der Kurator Burrichter, „aber sie beobachten uns – wenn auch als Hofnarren, die ihnen den Spiegel vorhalten.“

Große Marken suchen schon lange die Nähe zu unabhängigen Magazinen. Adidas hat drei Ausgaben des lesbischen Magazins Girls like us finanziert und mit dem Butt Magazine die limitierte Edition eines Suspensoriums herausgebracht. Dennoch können nur wenige wie Jop van Bennekom und Gert Jonkers, die mit Butt Magazine, Fantastic Man und Gentlewoman allein 3 der 15 ausgestellten Titel herausgeben, von den Magazinen leben. Viele arbeiten eigentlich als Grafiker oder PR-Agenten. Mangels Zusatzinfos bleibt das dem Besucher leider verborgen.

■ „Paper Weight“: Haus der Kunst, München, bis 27. 10. 2013