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Archiv-Artikel

Schacht Konrad vor Gericht

Oberverwaltungsgericht Lüneburg betritt rechtliches Neuland: Erstmals wird über ein Atom-Endlager geurteilt. AKW-Betreiber haben knapp 1 Milliarde Euro investiert

HANNOVER taz ■ Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg muss heute und morgen rechtliches Neuland betreten: Als erstes deutsches Gericht hat es eine Genehmigung für ein Atomendlager zu überprüfen. Gegen den Schacht Konrad haben die Stadt Salzgitter, die Gemeinden Lengede und Vechelde sowie zwei Anwohner geklagt.

In die ausgediente Eisenerzgrube in Salzgitter-Bleckenstedt will man schon seit Ende der Siebzigerjahre gern schwach- und mittelstrahlenden radioaktiven Müll unterbringen. Schacht Konrad wurde dem längsten je in der Bundesrepublik durchgeführten Genehmigungsverfahren unterzogen. 1982 wurde das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren für die Atommüllkippe eingeleitet. 1991 lagen die Planunterlagen öffentlich aus – mehr als 290.000 Einwendungen wurden gegen das Endlager erhoben. Niedersächsische Landesregierungen verschiedener Couleur versuchten das Verfahren zu verzögern, doch schließlich musste das Land den Weisungen des Bundes folgen: Landesumweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) erteilte 2002 die erste Genehmigung für ein Endlager nach dem bundesdeutschen Atomgesetz. (Die frühere Atommüllkippe Morsleben in Sachsen-Anhalt hat die Bundesrepublik bekanntlich ohne atomrechtliche Genehmigung von der DDR geerbt.)

Schacht Konrad darf zwar keinen hochradioaktiven Müll aufnehmen; vom Volumen her könnten in der ehemaligen Erzgrube aber mehr als 90 Prozent der bundesdeutschen atomaren Abfälle Platz finden. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz werden sich bis zum Jahr 2030 insgesamt 270.000 Kubikmeter an schwach Wärme entwickelnden Abfällen angesammelt haben. Die Konrad-Genehmigung erlaubt die Einlagerung von 303.000 Kubikmetern.

Die Genehmigung für den Schacht Konrad hat der niedersächsische Umweltminister allerdings „nicht für sofort vollziehbar“ erklärt. Darauf hatten sich zuvor Bundesregierung und AKW-Betreiber im Atomkonsens verständigt. Dies bedeutete, dass man zunächst die Entscheidungen der Gerichte abwarten wollte. Solange das OVG und wahrscheinlich anschließend das Bundesverwaltungsgericht nicht über die Genehmigung geurteilt haben, darf Schacht Konrad nicht zum Endlager werden.

Die Argumente der Kläger sind natürlich auch schon im Genehmigungsverfahren vorgetragen worden. Umstritten ist die Langzeitsicherheit des Endlagers, die durch Simulationsrechnungen über die Ausbreitung von Radioaktivität begründet wird. Die Kläger machen auch geltend, dass man ein separates Endlager für schwach Wärme entwickelnde Abfälle nicht braucht, weil die Bundesregierung seit Rot-Grün auf ein Ein-Endlager-Konzept setzt. Und als Lager hochradioaktiven Atommülls ist Schacht Konrat nicht gedacht. Zudem bemängeln die Kritiker, dass die Umgebung bei Störfällen während des Antransports und der Einlagerung des Strahlenmülls radioaktiv belastet werden könnte. Schließlich monieren sie, dass das Endlager nicht gegen terroristische Angriffe mit Flugzeugen geschützt ist.

Sollte das OVG der Endlagerung im Schacht Konrad zustimmen, steht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor einem politischen Problem: Die AKW-Betreiber wollen nicht einfach die knapp 1 Milliarde Euro abschreiben, die sie mittelbar für das Endlagerprojekt ausgegeben haben. JÜRGEN VOGES