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Archiv-Artikel

„Eine nachrichtendienstliche Meisterleistung“

Die Weitergabe von Husseins Verteidigungsplan an die USA war eine politische Entscheidung, glaubt BND-Experte Erich Schmidt-Eenboom

taz: Der neue Bericht der New York Times sagt unter Berufung auf einen US-Militärbericht, dass die BND-Mitarbeiter im Irak einen kompletten irakischen Verteidigungsplan für die Hauptstadt gehabt und an die USA weitergegeben hätten. Für wie glaubwürdig halten Sie diese Meldung?

Schmidt-Enboom: Angesichts der Details, die in der NYT ausgebreitet werden, halte ich die Nachricht für sehr glaubwürdig. Das würde die gegenwärtige und nicht nur die vorherige Bundesregierung in große Bedrängnis bringen, weil es deutlich machen würde, dass man diesen 300-seitigen Geheimbericht des Kanzleramtes in der Absicht verfasst hat, die Parlamentarier durch eine Vielzahl von Details zu täuschen, um dahinter das letzte, große, wahre Geheimnis zu verstecken, dass man nämlich durch die Weitergabe des „General Defense“-Plans einen nachhaltigen Beitrag zum Erfolg der US-Streitkräfte im Irakkrieg geleistet hat.

Laut NYT wurde der BND-Bericht einen Monat vor Kriegsbeginn, also um den 20. 2. 2003, an die USA weitergegeben. Nach dem, was man bisher weiß, sind die BND-Mitarbeiter überhaupt erst am 15. 2. eingereist. Ist es denn denkbar, dass sie in so kurzer Zeit einen solchen Coup landen können?

Ja natürlich. Denn sie betraten ja kein leeres Feld. Es gab ja vormals schon BND-Leute in Bagdad und enge Beziehungen zwischen dem BND und dem irakischen Nachrichtendienst. Die Mitarbeiter knüpfen als erstes Kontakte zu den Verbindungsoffizieren des irakischen Nachrichtendienstes, mit denen der BND seit Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre kooperiert.

Wie muss man sich die Motivationslage beim BND vorstellen? Was ist normale Arbeitsebene, was ist BND-Eigendynamik trotz anderslautender politischer Vorgaben?

Ich vermute keinerlei Eigenmächtigkeit des BND bis hinauf zu seinem Präsidenten. Wenn die den Verteidigungsplan des Irak erbeutet haben, dann ist das eine nachrichtendienstliche Meisterleistung. Den haben sie in Pullach abgeliefert, und dann bedarf es einer politischen Entscheidung, ob der den Amerikanern zur Verfügung gestellt wird.

Diese Entscheidung muss also die Bundesregierung gefällt haben?

Da muss BND-Chef August Hanning nach Berlin gefahren sein und Herrn Steinmeier um eine Entscheidung ersucht haben.

Halten Sie Außenminister Steinmeier noch für haltbar, wenn sich das tatsächlich so herausstellen sollte?

Dann dürften sowohl die alten als auch die neuen Verantwortungsträger – und damit meine ich nicht nur Steinmeier, den damaligen BND-Chef Hanning und seinen Nachfolger Ernst Uhrlau, sondern auch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière – ihre politischen Ämter verlieren. De Maizière, weil er den Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium zu verantworten hat, der offensichtlich ein wichtiges Faktum unterschlägt. INTERVIEW: BERND PICKERT