: Der Religionslehrer auf dem OB-Sessel
Die SPD-Erbfolge auf dem Stuhl des Leipziger Oberbürgermeisters wackelte, kippte aber trotz der rasanten Aufholjagd des CDU-Konkurrenten Uwe Albrecht nicht. 51,6 Prozent im zweiten Wahlgang genügten dem Sozialdezernenten Burkhard Jung, um für sieben Jahre auf dem OB-Sessel Platz zu nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er wie sein Vorgänger Wolfgang Tiefensee vorzeitig nach Dresden oder Berlin weggelobt wird, dürfte gering sein. Denn Jung mag zwar äußerlich entfernt an Tiefensee erinnern. Über dessen verbindlichen Charme und das Image eines Hoffnungsträgers verfügt er jedoch nicht.
Im Osten ist der gebürtige Westfale Burkhard Jung längst assimiliert. Bereits 1991 wurde der damals 33-Jährige als Schulleiter zum Aufbau des Evangelischen Schulzentrums in die Messestadt abgeordnet. Das kirchliche Engagement verbindet den Deutsch- und Religionslehrer übrigens mit Vorgänger Tiefensee, und wie dieser hat er vier Kinder und konnte sich politisch als Beigeordneter für Jugend, Schule und Sport seit 1999 profilieren. Doch die gescheiterte Bewerbung Leipzigs um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 ließ den zum Olympiabeauftragten avancierten Beigeordneten nicht unbeschädigt, obwohl Jung stets bestritt, dass der Stadtkasse durch Provisionsgelder für Olympiawerbung ein Schaden entstanden sei.
Die Schulden Leipzigs belaufen sich auf fast 1 Milliarde Euro. Dennoch verteidigte der neue OB Mehrausgaben für die Infrastruktur, mit denen die Ansiedlungserfolge von BMW oder Porsche erzielt worden seien. Auch in Zukunft will er nicht um jeden Preis sparen, vor allem nicht am „eigentlichen Großprojekt“, der Sanierung von Schulen und Kitas.
Im Wahlkampf wurde Jung von Kulturleuten unterstützt, und so setzt er weiterhin auf die Musik- und Kunststadt und ihre Weltoffenheit. In der sächsischen Stadt mit den stärksten sozialen Gegensätzen und der höchsten Arbeitslosigkeit ist das besonders wichtig. Bonuspunkte könnte er sammeln, wenn es ihm gelänge, das Rathaus vom parteiübergreifenden Filz zu befreien. Im Leipziger Umland sollte man sich schon auf neue Eingemeindungswünsche vorbereiten, und wegen angeblicher Verwerfungen im kommunalen Finanzausgleich legte sich Jung bereits mit Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU) an. Die Grünen forderten den neuen OB sofort auf, seine guten Beziehungen zu Ostminister Tiefensee spielen zu lassen, um endlich das geplante Biomasse-Forschungszentrum in Leipzig anzusiedeln. So übernimmt Jung auch jetzt, eine Woche vor seinem 48. Geburtstag, wieder eine äußerst schwierige Aufgabe. MICHAEL BARTSCH