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Archiv-Artikel

Sause ohne Sozen

GEWERKSCHAFTEN Am Mittwoch feiert IG-Metall-Chef Berthold Huber im Kanzleramt Geburtstag. Doch kein einziger SPD-Politiker ist eingeladen. Wieso denn bloß?

Feste Feiern mit Merkel

Der Termin: Am Mittwoch feiert IG-Metall-Chef Berthold Huber auf Einladung von Angela Merkel seinen 60. Geburtstag im Kanzleramt. Im April 2008 wurde diese Ehre bereits Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zuteil.

Der Jubilar: Berthold Huber ist schon am 15. Februar 60 Jahre alt geworden. Das SPD-Mitglied führt seit November 2007 als Erster Vorsitzender die IG Metall. Huber wurde in Ulm geboren. Der gelernte Werkzeugmacher studierte Geschichte und Philosophie.

VON ULRICH SCHULTE

Bei einem Geburtstagsfest ist es interessant, welche Gäste kommen. Aber noch aufschlussreicher ist manchmal, wer nicht kommt. Weil er nicht eingeladen wurde.

Das Fest, um das es hier geht, wird zu Ehren von Berthold Huber gegeben, dem Vorsitzenden der IG Metall. Zu seinem 60. Geburtstag bittet Angela Merkel am Mittwoch zum Abendessen ins Kanzleramt. Bundesminister, Bosse und Betriebsräte werden dabei sein, aber eine Spezies wird fehlen: SPD-Politiker stehen nicht auf der Gästeliste. Dafür, dass etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel außen vor bleibt, gibt es zwei Erklärungen. Die eine ist etwas formalistisch und wird offiziell von den Beteiligten vorgetragen. Die andere ist politischer Natur – und man erfährt sie von führenden IG Metallern nur, wenn man verspricht, ihren Namen wegzulassen.

Zum Offiziellen: Die Gästeliste sei nicht öffentlich, Merkel und Huber hätten sie aber abstimmt, sagt ein Sprecher der Bundesregierung. „Es ist ganz üblich, dass die Kanzlerin runde Geburtstage nutzt, um wichtige Personen des öffentlichen Lebens zu würdigen und Kontakt zu gesellschaftlichen Gruppen zu halten.“ Der Termin diene dem Gedankenaustausch zu aktuellen sozialpolitischen Themen, sagt der Sprecher.

Parteileute? Nicht relevant für die Gästeauswahl

Und er betont: „Die Gäste stammen aus dem inhaltlichen Feld von Herrn Huber, ein Posten als Parteifunktionär war bei der Auswahl nicht relevant.“ Auch die IG Metall kommentiert die SPD-Abwesenheit nur indirekt. „Das Treffen soll dem Dialog mit der Bundeskanzlerin und Vertretern der Bundesregierung dienen“, sagt Sprecher Jörg Köther. Mit allen Geladenen treffe der IG-Metall-Chef „an seinen verschiedenen Wirkungsstätten zusammen“ – etwa in Aufsichtsräten oder in der Tarifpolitik.

Dreht man diese Sätze um, so ergibt sich, dass Huber mit SPD-Politikern keine relevanten inhaltlichen Felder teilt. Und keine Wirkungsstätten.

Mit Merkel und Huber dinieren werden, das hatte zuerst die Süddeutsche Zeitung gemeldet, zum Beispiel die Chefs von Siemens und VW, Peter Löscher und Martin Winterkorn, Betriebsräte wie Uwe Hück von Porsche und Klaus Franz von Opel – sowie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Nach offizieller Lesart ist der Termin also eine Mischung aus Geburtstags- und Arbeitsessen, bei dem Proporz und Parteitaktik nicht zählen.

Die SPD bietet keine Anbindung zur Macht

Die politische Erklärung für die SPD-Absenz ist etwas komplizierter. „Natürlich hätte Huber auch einen SPD-Mann wie Gabriel einladen können. Es war ihm einfach nicht wichtig. Damit setzt er klar ein Signal an die SPD“, sagt ein hoher IG Metall-Funktionär. In der großen Koalition funktionierte die SPD für die IG Metall und andere Gewerkschaften als Türöffner zur Macht. Die Metaller belieferten den damaligen Arbeitsminister Olaf Scholz mit Ideen und Details zur Kurzarbeit, sie redeten über führende Sozialdemokraten mit, als die Regierung über die Opel-Rettung verhandelte.

Seit der Wahlniederlage im September verlor die SPD für die Gewerkschafter nicht nur wegen des Machtverlustes an Bedeutung. Sie tragen ihr nach, dass sie so lange nicht auf die Arbeitervertreter gehört hat. „Viele nehmen ihr übel, dass sie Einflusszonen so gründlich verschüttet hat“, sagt der Funktionär.

„Jetzt bemüht sich die SPD um uns. Doch so leicht ist die IG Metall nicht zu haben“

Ein Gewerkschaftsfunktionär

Hinzu kommt natürlich das Trauma Agenda 2010: Gerade bei den rund 50.000 Betriebsräten und Vertrauensleuten sitzen die Verletzungen durch Hartz IV oder die Rente mit 67 tief, sie mussten sich in Betrieben dafür beschimpfen lassen. Diese mittlere Funktionärsebene bildet das Rückgrat der Organisation, und sie verzeiht nichts. „In der Schröder-Ära schauten die Sozialdemokraten auf uns herab“, sagt der Gewerkschaftsfunktionär. „Jetzt bemühen sie sich um uns. Doch so leicht ist die IG Metall nicht zu haben.“ Entsprechend gilt vielen Hubers Essen mit der Kanzlerin als Zeichen der Stärke.

In der Wirtschaftskrise setzt die IG Metall voll auf die Kooperation mit Arbeitgebern und Firmen – und tauscht den Verzicht auf Drohgebärden und Lohnaufschläge gegen Arbeitsplatzsicherung. In diesem Modell ist eine oppositionelle, nach links rückende SPD überflüssig. „Da spielt sie schlicht nicht mit“, sagt ein anderer Gewerkschafter.

Es ist schwer, jemanden in der SPD zu finden, der über das Thema reden will. Andrea Nahles nicht, Hubertus Heil nicht, Ottmar Schreiner nicht. Termingründe. Wer will schon jammern, wenn er nicht eingeladen ist. Anette Kramme muss etwas sagen. Die Bundestagsabgeordnete ist seit November 2009 die Sprecherin der SPD-Fraktion für Arbeit und Soziales – und sie ist Mitglied der IG Metall. Auf Vorstandsebene gebe es kein Problem mehr zwischen SPD und Gewerkschaften, sagt sie. Nur an der Gewerkschaftsbasis sehe es manchmal anders aus. „Hier wirkt nach, dass die SPD-Führung unter Kanzler Schröder Dinge wie die Agenda 2010 entschieden hat, ohne die Menschen mitzunehmen.“ Die SPD müsse ihre Positionen bereinigen, stärker für soziale Gerechtigkeit eintreten und auf das Empfinden der Menschen eingehen, sagt Kramme.

Und das Dinner? „Das hat nichts mit dem Verhältnis von SPD und Gewerkschaften zu tun. Wenn Huber beim Dessert den Mindestlohn bekommt, sind wir doch alle glücklich.“ Na dann.

Eine profitiert auf jeden Fall von der Veranstaltung. Angela Merkel. Sie setzt die freundliche Annäherung an die Gewerkschaften fort. Und sie zeigt, dass sie nicht nur Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ehrt. Sondern einen Arbeiterführer.