: Falsche und andere Fehlfarben
Ihren runden Geburtstag haben sie damals absichtlich verschlafen: „26 1/2“ – das neue Album der „Fehlfarben“
Natürlich: Jubiläen feiern, das geht nicht im Punk. Das ist etwas für Spießer. Zumindest scheint es so, denn als die Düsseldorfer Fehlfarben vor Jahren ihr 25-jähriges Bandjubiläum auf sich zurasen sahen, beschlossen Sänger Peter Hein und Kollegen, den runden Geburtstag einfach zu verschlafen und bloß keine dieser „üblichen Tribute-Compilations“ auf den Markt zu werfen. Mit dem Ergebnis, dass sie nun doch geworfen haben. Nur eben anderthalb Jahre später.
Daher auch der Titel des neuen Fehlfarben-Albums: „26 1/2“, als ironische Anspielung auf die Geburtstagsverweigerung. Und eigentlich handelt es sich auch gar nicht um eine neues Fehlfarben-Album, sondern vielmehr um einen Rückblick mit den Augen – und vor allem Stimmen – anderer. Neben einem neuen Stück der Band verbergen sich unter dem hübsch fleischfarben bepinselten Inlet 17 Coverversionen, neu eingespielt von den Fehlfarben selbst, gesungen von befreundeten Musikern.
Und wie das so ist, wenn sich Musiker die Lieder ihrer Kollegen vorknöpfen, geht es entweder in die Hose. Oder es gelingt eine Interpretation, die sogar anregender ist als das Original. Diese Divergenz tritt auch dann auf, wenn sich (wie hier) fast alle, die im Deutschpunk und -pop einen Namen haben, hinters Mikro klemmen, um jenen Mannen zu huldigen, die sie irgendwie in ihrem Schaffen beeinflusst haben. Schlechte Stücke kommen da allemal bei rum. Wir haben ja Campino. Der ist äußerst zuverlässig darin, Texte zu versingen, egal ob eigene oder fremde.
Der Reihe nach: Auf „26 1/2“ klafft die Schlucht zwischen fabel- und grauenhaft gleich zwischen den ersten beiden Stücken. Den Anfang macht Fink-Sänger Nils Koppruch mit „Das sind Geschichten“, was im Stimmfall Koppruchs viel gebrochener, zwischenzeitlich auch aggressiver klingt als bei Hein. In jedem Fall aber düster und eben fabelhaft. Wenn – ja wenn die Freude darüber nicht gleich danach von Herbert Grönemeyer weggeknödelt würde. Grönemeyers Griff zum Song „Grauschleier“ ist ein Griff ins Klo. Nichts ist übrig vom ursprünglichen Tempo. Da ist nur noch die Schicksalsstimme aus Bochum. Ansonsten: Langeweile. Immer wieder.
Ehrlich gesagt: Es geht auf und ab auf dieser Platte. „Paul ist tot“, also kommt Alex, quatsch: Campino und grölt und grölt. Helge Schneider liefert eine tragikomische Version von „Einsam“, die dummerweise nach Françoise Cactus‘ verhunztem „(Geh) Du ran, Du ran“ kommt. Sven Regner, getarnt als Die falschen Farben, setzt die Trompete an und macht aus „Der Himmel weint“ einen schönen, weil typisch schunkeligen Element-Of-Crime-Song. Merke: Sie sind alle da, die Deutschpopnamen. Jochen Distelmeyer von Blumfeld, Tocotronic-Sänger Dirk von Lotzow, Bernd Begemann – alle. Und sie servieren eine abwechslungsreiche Platte, gleich einem üppigen Jubiläums-Buffet. Manches davon schmeckt halt nicht. Anderes dagegen vorzüglich. Normal.
Nun könnte man noch reichlich Worte darüber verlieren, wie viele Seiten im Buch deutscher Musikgeschichte die Fehlfarben selbst gefüllt und wie viele sie indirekt mitgeschrieben haben. Aber so etwas schreibt man zu runden Jubiläen oder dergleichen. Da dies aber hier nicht der Fall ist, bleiben wir noch kurz im Jetzt, beim einzigen neuen Fehlfarben-Song der Platte, bei „Chirurgie 2010“. Das ist wichtiger alles alle Geschichte, weil mit dem Song neue geschrieben wird. „Platz bloß nicht vor Wut“, singt Peter Hein, „ein Schnitt, und alles wird gut.“ So schlägt es einem Entgegen. Und man wünschte sich mehr davon. Mehr Fehlfarben. Mehr dieser Texte.
BORIS R. ROSENKRANZ
Fehlfarben: „26 1/2“ (V2 Music)Live im März: 23. Köln, 24. Düsseldorf, 28. Oberhausen, 29. Bielefeld