Ein Bezirk wird zum Opfer der Klischees
SCHLECHTER RUF
Da ham was wieder: Hellersdorf, Ostbezirk, Nazis, ausländerfeindlich. Da es wohl keinen Sinn macht, Nazis vorzuschlagen, sich für das Ausnutzen des schlechten Images eines Bezirks im ehemaligen Ostberlin für ihre Zwecke zu schämen – denn leider schämen sich Nazis offenbar für nix –, sollten sich wenigstens diejenigen mal an die eigene Nase fassen, die auf diesen schlichten PR-Trick der NPD reingefallen sind. Sie machen es sich nämlich zu einfach.
Nur zur Erinnerung: Auch in Neukölln, auch in Reinickendorf mischten sich Nazis in die Proteste gegen Asylunterkünfte ein. Es gibt keinen Grund, so zu tun, als sei es ein „Ostproblem“, dass Menschen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nähe ablehnen. Der Bezirk, der die mit Abstand meisten AsylbewerberInnen Berlins aufnimmt, ist: Lichtenberg, ein Ostbezirk.
Seit Jahren müssen auch diese Bezirke ihren fixen Anteil an den Berlin zugeteilten Flüchtlingen unterbringen. Seit Jahren steigt auch der Ausländer- und MigrantInnenanteil in den östlichen Stadtteilen. Marzahn-Hellersdorf, vor zehn Jahren noch Berlins Schlusslicht mit einem Bevölkerungsanteil ausländischer Einwanderer von 3 Prozent, hat diesen fast vervierfacht: 11,9 Prozent der Marzahn-HellersdorferInnen sind MigrantInnen, die laut der Integrationsbeauftragten des Bezirks aus über 100 Herkunftsländern stammen. Die meisten von ihnen leben in den Plattenbausiedlungen.
Auch Flüchtlinge leben dort längst – ganz freiwillig. Denn wer von ihnen eine eigene Wohnung beziehen darf, findet diese oft in den östlichen Randbezirken: Dort sind die Wohnungen bezahlbar, es gibt Kita- und Schulplätze – und monoethnisch sind die schon lange nicht mehr. In Marzahn-Hellersdorf hat bereits jeder fünfte Grundschüler einen Migrationshintergrund.
Es ist Zeit, zu kapieren: Der Kampf gegen Nazis und für respektvollen Umgang mit Zuwanderern ist ein gesamtstädtischer.
ALKE WIERTH