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Archiv-Artikel

Im Baumarkt wird er schwach

HAUSBESUCH Alexander Beisel wohnt meistens im Lkw, sein Arbeitstag dauert bis zu 16 Stunden. Samstags ist Putztag

VON NADINE MICHEL (TEXT) UND YVONNE SEIDEL (FOTOS)

Landkreis Calw in Baden-Württemberg, Höfen an der Enz im Nordschwarzwald, zu Hause bei Alexander Beisel, 33.

Draußen: Das Mehrparteienhaus steht in einer kleinen Straße direkt gegenüber vom Höfener S-Bahnhof mit der „Bahnhof-Schenke“. Ockerfarbene Fassade, rote Rosensträucher, vor jeder Wohnung ein großer Balkon mit Blumenkästen. Direkt hinterm Haus beginnt der Schwarzwald. Im Treppenhaus das schwäbische Kehrwochen-Schild.

Drin: Sauberkeit und Ordnung. Laminatfußboden im Ess- und Wohnzimmer, Dachschrägen mit Holzvertäfelung, auf dem lilafarbenen Ecksofa sechs kleine Plüschtiere („Meine Freunde schenken mir immer Bären“). Ein selbstgebastelter Lego-Lkw mit Mercedes-Stern auf dem Fußboden („Eine Woche im Krankenhaus, mir war so langweilig“), zwei große Yuccapalmen, Salzlampe auf der Heizung, Lkw-Fotos an der Wand. Auf dem Esstisch ein Brotkorb mit geblümtem Deckchen, grüne Ziersteine auf einer Serviette. Im Schlafzimmer eine dunkle Steinwand hinterm Bett, die Alexander selbst gemacht hat („Ich darf nicht in Baumärkte gehen, das ist für mich gefährlich“). Auf der Toilette ein automatischer Seifenspender mit Lichtschranke („Das soll hygienischer sein“).

Was macht er? Alexander ist Lkw-Fahrer eines kleinen Familienbetriebs. Er ist die ganze Woche unterwegs, schließt sonntagabends die Tür ab und kommt freitags wieder. Samstags ist Putztag. Er fährt immer dieselbe Strecke nach Italien und sieht deshalb unterwegs viele Kollegen („Die Autobahn ist wie ein Dorf“). Wenn er drei Wochen Urlaub hat, kribbelt’s in den Fingern, dann muss er wieder fahren.

Was denkt er? „In vier Wochen geht’s nach Berlin.“ Bislang war er nur einmal mit dem Lkw dort, „aber natürlich auch wieder keine Zeit gehabt“. Er will unbedingt den Bundestag und das Brandenburger Tor sehen und diverse Kneipen besuchen. „Für mich ist das scho’ ein Highlight.“

Alexander: Geboren in Pforzheim, aufgewachsen in Neuenbürg („eine Ortschaft weiter“). In einer großen Familie mit fünf älteren Geschwistern war er der Kleinste („Ich bin eher beschützt worden“). Die Familie konnte sich mit eigenen Tieren und großem Garten selbst versorgen, in der Garage wurde geschlachtet („Ich bin natürlich groß geworden“). Nach dem Hauptschulabschluss Maurerlehre, Wehrdienst, vier Jahre Arbeit in der Industrie, mit 24 Jahren der Lkw- und Busführerschein, ein Kindheitstraum („Mein Vater sagte immer, mein Kleiner wird mal Fahrer“).

Das letzte Date: Liegt zwei Jahre zurück und kam übers Internet zustande („Dir bleibt gar nichts anderes mehr übrig, weil keiner mehr rausgeht“). Das Date war erfolgreich, beide haben sich auf Anhieb gut verstanden, sind essen gegangen und haben viel geschwätzt („Das hat irgendwie gleich gepasst, aber nicht allzu lange gehalten“). Nach einem Jahr war Schluss.

Einsam? „Nee, eigentlich nicht.“ Manchmal gebe es aber schon Tage, an denen er es schön fände, wenn jemand da wäre. „Ich halte es für gefährlich, wenn man sich zu sehr an die Einsamkeit gewöhnt.“

Der Alltag: Die ganze Woche über schläft Alexander im Lkw. Gegen sechs Uhr steht er auf, manchmal auch früher. Das Erste, was er dann macht, ist, den Schlüssel umdrehen und den Motor kurz laufen lassen, damit der Lkw Luft kriegt. In der Zeit macht er die Kaffeemaschine an, die er am Vorabend schon vorbereitet („Das mache ich immer so, dann brauche ich nur noch den Knopf drücken“). Er wäscht sich entweder in einer Raststätte oder mit einer mobilen Dusche. Dann packt er die Brote aus. Das Essen lagert im Kühlschrank, manchmal kocht er am Wochenende was vor. Oder seine 76-jährige Nachbarin gibt ihm was mit („Die kocht immer so gerne und fragt, ob ich nicht ein paar Spätzle mitnehmen will“). Mit Be- und Entladen sowie Pausen dauert sein Arbeitstag bis zu 16 Stunden. Abends guckt Alexander eine halbe Stunde Fernsehen, „wenn überhaupt“, bereitet die Sachen für den nächsten Tag vor und geht schlafen.

Wie finden Sie Merkel? „Auf der einen Seite ist sie bestimmt nicht schlecht. Aber ihr fehlt ein bisschen die Ausstrahlung. Eigentlich beschäftigt mich das aber gar nicht so.“

Wann sind Sie glücklich? „Wenn ich aufm Lkw hocke, dann geht’s mir gut. Und glücklich bin ich, wenn ich mit Menschen zusammensitze. Das passt bei mir eigentlich gar nicht zum Beruf, aber Beruf und Freizeit sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“

Nächstes Mal treffen wir Familie Wildermann in Berlin. Wenn Sie auch einmal von uns besucht werden möchten, schicken Sie eine Mail an hausbesuch@taz.de