: Von braunen Engeln und Banditen
KRIMINALITÄT Mehrere rechtsextreme Kader in Deutschland sind Mitglieder in Rockergangs wie den Hells Angels oder den Bandidos
VON ANDREAS SPEIT
Die Wege in Neumünster, Schleswig-Holstein sind kurz. Keine zehn Minuten liegen das Neonazizentrum Club 88 und das örtliche Quartier der Rockergang Bandidos auseinander. Peter Borchert ist in beiden Häusern willkommen. Der frühere NPD-Landesvorsitzende und heutige Aktivist der rechtsextremen Aktionsgruppe Kiel ist nämlich Bandidos-Mitglied. Rechtsextremer oder Rocker? „Vielleicht verstehe ich mich als Revolutionär“, sagt der 36-Jährige, der wegen eines Tötungsdelikts und mehrfachen Waffenhandels in Haft saß. „Oder eigentlich als Revolteur gegen die bürgerliche Ordnung.“
Nach Informationen der taz soll der drahtige und durchtrainierte Glatzkopf, auf dessen rechter Hand das Wort „Sieg“ tätowiert ist, die Villa entdeckt haben, in der sich die Bandidos Neumünster derzeit treffen. Seit Januar dieses Jahres hat der Motorradclub dort Quartier bezogen. Sein Logo, ein Mexikaner mit großem Sombrero, Pistole und Säbel in den Händen, hängt am Eingang.
Rechtsrocker wie Borchert finden sich inzwischen in ganz Deutschland. Einer der bekanntesten ist Markus W., der zu jenen Hooligans gehörte, die den Gendarmen David Nivel während der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich fast zu Tode prügelten. In Hannover gehört er seit Jahren zur Führungsriege der Hells Angels. Die Weste der Bandidos trägt auch Sascha Roßmüller, stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Bayern und Mitarbeiter der NPD-Fraktion in Sachsen. Eine Aufnahme auf der Website der Bandidos Regensburg zeigt den 37-Jährigen, den rechten Arm um einen anderen Rocker gelegt und die linke Hand zur Pistole geformt. Im vorpommerschen Anklam kommt der Präsident der Bandidos aus der rechten Szene. Die Clubhäuser der Hells Angels nahe Bremen und die der Bandidos in Mannheim dienten schon als Räume für Rechtsrockkonzerte. Vor allem im Türsteher- und Securitygeschäft begegneten sich beide Szenen, erzählen Insider. Aus gegenseitiger Achtung zwischen Rockerchef und Rechtsextremenkader des jeweiligen Ortes könne eine Zusammenarbeit entstehen.
Nicht Respekt, sondern Geld ist für die Sicherheitsbehörden der Hauptgrund für die Neonazi-Rocker-Verbindungen. „Die haben sich zusammengeschlossen, um aus dem Schutz der Gruppe heraus kriminelle Geschäfte zu betreiben“, sagt Stefan Jung vom Landeskriminalamt Schleswig-Holstein. Man rechne die Bandidos der organisierten Kriminalität zu. Ihre Einnahmequellen: Drogenhandel, Waffengeschäfte, Schutzgelderpressung und Prostitution. Das bestätigt auch ein Sprecher des Landeskriminalamts Bayern: „Im Bereich der Rockerkriminalität fallen hier vor allem die Bandidos auf. Gerade im Rotlicht- und Rauschgiftgeschäft beobachten wir besondere Aktivitäten.“
Über seine Einkünfte möchte Peter Borchert ebenso wenig reden wie andere seiner Kameraden in Rockerkutten. Klar ist aber: Beim Kampf zwischen Hells Angels und Bandidos um Macht und Einfluss ist er mittendrin. Bei einem Überfall in Kiel verletzte Borchert zwei Hells Angels 2008 mit einem Messer. Dem Schweigekodex beider Gruppen verdankt er, dass er, trotz nachweislichen Zustechens, freigesprochen wurde. Auf einen Neonazifreund Borcherts, ebenfalls Bandido, wurde geschossen. Eine 20-Jährige soll Borcherts Freund in den Hinterhalt gelockt haben. Mit Messern griffen Mitte Januar mehrere Bandidos zwei Angels in einem Schnellrestaurant in Neumünster an. Noch in der Nacht durchsuchte die Polizei das Refugium der Bandidos. Am 11. März schossen dann Unbekannte auf das Haus des Hells-Angels-Anführers in Kiel. Seit Oktober 2009 ist beim Landeskriminalamt eine „Sonderkommission Rocker“ eingerichtet. Über 50 Einsätze fuhr die Kommission seitdem wegen Straftaten oder Veranstaltungen der Rocker.
Wegen der Negativschlagzeilen über die Bikergangs ist in der rechtsextremen Szene ein Streit über die Kameraden unter den Rockern entbrannt. Schließlich tritt gerade die NPD gern als Vorkämpferin gegen Kriminalität auf. Deshalb besonders im Fokus der Aufmerksamkeit: NPD-Mann Sascha Roßmüller. Auf dem bedeutsamsten deutschen Szeneportal „Altermedia“ pöbeln die Kommentatoren, was ein NPD-Kader bei einer Bande „aus kriminellen Türken und Arabern“ zu suchen habe. Hintergrund: Die Bandidos nehmen in der Regel eher Einwanderer und Ausländer auf als die Hells Angels.
Der 37-jährige Roßmüller schweigt zu seiner Mitgliedschaft. Holger Apfel, Fraktionschef der sich in Sachsen gern als bürgerlich gebenden Nationaldemokraten, verteidigt den „engagiert kämpfenden Parteifreund“. Roßmüller habe versichert, in „keine ‚kriminelle Angelegenheit‘ “ verwickelt zu sein. Für den bayrischen NPD-Geschäftsführer Axel Michaelis ist die Mitgliedschaft in einem Rockerclub „reine Privatsache“ und ungefähr so zu bewerten „wie wenn jemand im Fußballverein ist“.
Nur ist ein Fußballverein nicht so aufregend. „Bei allen Differenzen finden sich im Gruppenverhalten der Rockerclubs Positionen, die Rechtsextremen entgegenkommen“, sagt Rena Kenzo, Mitgründerin des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus. Sie verweist auf Hierarchien, Probezeiten, Rituale und Ehrenkodizes der geschlossenen Rockergemeinschaften, die es so ähnlich auch in rechtsextremen Gruppen gebe. Dazu komme noch der Charakter eines Bundes durchtrainierter und gewaltbereiter Männer, für die Frauen nur als Beiwerk oder auszubeutende Subjekte existieren würden. Auch der Hang zu Waffen als Mittel und Fetisch dürfe nicht vergessen werden, sagt Kenzo weiter. Borchert stimmt dem zu: „Eine Pistole, die Macht, das hat natürlich etwas.“
Doch Borchert will nicht als dumpf-brutaler Motorradrowdy gesehen werden. Er versucht seinen Werdegang als Geschichte der Erweckung zu verklären. Im Gefängnis habe er viel über die „Konservative Revolution“ gelesen, sagt Borchert – eine extrem rechte Geistesströmung der Zwanzigerjahre. So habe er zu den Rockern und ihrem „antibürgerlichen Lebensstil“ gefunden.
Wie viele Neonazis sich im Rockermilieu umtun, wissen die Behörden nicht. „Uns sind einzelne Kontakte von Rechtsextremen und Rockern bekannt“, erklärt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums und verweist auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei. Darin hieß es 2008, das Ministerium gehe von keiner „nachhaltigen Politisierung der Rocker“ aus. Die Quellen, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, sind dünn. Bikergangs werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Grund: Es gibt laut Ministerium nicht genug Anhaltspunkte dafür, dass die Rocker gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung operieren.
Mag sein, dass sich dies ändert, wenn ein Beispiel aus Mecklenburg Schule macht. In Gägelow kaufte sich der Motorradclub „Schwarze Schar MC“ ein Clubheim. Dem Betreiber gehörte im nahen Wismar der rechtsextreme Szeneladen Werwolf-Shop. Das Innenministerium in Schwerin weiß von Schar-Fahrern, die „der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen sind“.
Auf ihrer Website erklären die Rocker ihren Namen: „Die Schwarze Schar“ war ein „Freikorps“ während der Napoleonischen Kriege. Vollmitglied könne nur werden, wer einen Chopper mit mindestens 800 ccm besitzt und sich zu „seiner deutschen Herkunft“ bekennt.
Trotz Glanz und Geld, die sich Rechtsextreme von den harten Motorradgangs versprechen – es lebt sich gefährlich in dieser Szene. Peter Borchert hält sich an seiner gemeldeten Adresse nur noch hin und wieder auf. Er wechselt regelmäßig den Schlafplatz. Seinen Angriff auf die beiden Hells Angels hat deren Bande nicht vergessen.