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Archiv-Artikel

Unter Augenhöhe

Mit der Doku „Die Kanzlerin – die ersten 100 Tage“ (23.45 Uhr) tut Sat.1 mal wieder so, als hätte der Sender Politjournalismus zu bieten

Von Bettina Schuler

Als „Reformkanzlerin“ will Frau Merkel in die Annalen eingehen, die dem Land nicht nur Freude, sondern auch Veränderungen bringt. Dafür benimmt sie sich jedoch laut FDP-Bundesvorsitzendem Guido Westerwelle zu sehr wie Frau Holle, die „überall ein wenig weiße Flocken fallen lässt und niemandem wehtun will“. Abgesehen von diesem märchenhaften Vergleich fallen die Urteile, die N24-Chefredakteur Peter Limbourg und N24-Parlamentsredakteurin Katharina Mänz in ihrer Dokumentation „Die Kanzlerin – die ersten 100 Tage“ für den Schwestersender Sat.1 einfangen, recht positiv und zuversichtlich aus. Doch die Jubelstimmung wird der Reportage nichts nützen: Mit einem Sendeplatz um 23.45 Uhr sind grottige Quoten Programm. Mehr, als seine politjournalistische Blöße mit diesem Feigenblatt abzudecken, hatte Sat.1 wohl eh nie vor.

Seit dem Antritt von Geschäftsführer Roger Schawinski 2004 ist der Anspruch eigentlich ein anderer. Eine „Info-Offensive“ sollte es geben – ihr jüngstes Aufgebot: das noch recht neue Magazin „Sat.1 am Mittag“. Hier versucht man, die Themen des Tages „menschlich, lebensnah“ und „persönlich“ aufzubereiten. So wie die Geschichte über den Hund des freundlichen Herrn aus Süddeutschland, der kürzlich von der Gebührenzentrale aufgefordert wurde, seinen Fernseher anzumelden, weil sie hinter seinem Namen einen nicht zahlungswilligen Fernsehzuschauer witterte. Sehr zur Verwunderung seines freundlich dreinblickenden Herrn, der, wohl aus Jux, ein Klingelschild für den Vierbeiner an seiner Haustür angebracht hatte.

Doch auch diese sehr lebensnahe Geschichte scheint den Zuschauer nicht besonders zu interessieren. Nach anfänglichem Interesse sank der Marktanteil nach nur zehn Tagen in der werberelevanten Zielgruppe von 13,2 auf 8,5 Prozent. Ein Angriff auf Marktführer „Punkt 12“ (RTL) sieht anders aus. Ganz anders.

Noch schlechter erging es dem wohl ehrgeizigsten Projekt der Info-Offensive, dem „Talk der Woche“: Nach nur zehn Sendungen wurde die „gesellschaftspolitische“ Talkshow mit Bettina Rust wieder abgesetzt. Einzig und allein Thomas Kausch, Moderator und Leiter des Bereichs Information, der im August 2004 vom ZDF zu Sat.1 wechselte, scheint die Zuschauer an den Sender binden zu können. Nach nur einem Jahr hievte er die Quote von 10,2 auf 12,4 Prozent. Mit seinem unverwechselbarem „Ciao“ ist er eben ein echter Anchorman, der sich selbst als „Weltbürger deutscher Herkunft mit etwas zu langen Haaren“ charakterisiert – auch wenn selbst ihm mit dem Polittalk-Hybrid „Flurfunk“ ein Bauchklatscher gelang. Nach nur einer Sendung war schon wieder Schluss.

Im August 2004 war Kausch mit dem Ziel angetreten, die Infoschiene bei Sat.1 auf Augenhöhe mit den Öffentlich-Rechtlichen und RTL zu bringen. Nach knapp 18 Monaten habe er es immerhin „ungefähr auf Augenhöhe der schon etwas hängenden Schultern der Konkurrenz geschafft“, so Kausch. „Als Nächstes arbeiten wir uns zu den noch etwas spöttisch hochgezogenen Mundwinkeln rauf. Und wenn die auch hängen, werden wir irgendwann auch in große, erstaunte Augen blicken.“

Bis dahin muss sich Kausch aber ziemlich allein hocharbeiten. Die heutige Dokumentation, ein solides Stück Politikunterhaltung, mag ein erster Schritt nach oben, zu den hochgezogenen Mundwinkeln der Konkurrenz, sein. Mehr aber auch nicht. Bis Sat.1 in die Augen von Ulrich Wickert und Peter Kloeppel schauen kann, ist es eben doch noch ein Stückchen Weg.