: Rezepte für Arbeitslosigkeit
betr.: „Haben die Streikenden Recht?“, taz vom 22. 2. 06
Nicht Ver.di, wie von ihm behauptet, sondern Hagen Lesch macht eine Milchmädchenrechnung auf mit seinen Schlussfolgerungen. Lesch meint, durch generelle Verlängerung der Arbeitszeiten würden konstant Kosten gesenkt werden. Das kann natürlich nur funktionieren bei Absenkung von Stundenlöhnen, Streichung von Zulagen, Arbeitsverdichtung und weiterem Arbeitsplatzabbau. Dann entstehen allerdings Kosten an anderer Stelle, nämlich für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe.
Bei längeren Arbeitszeiten könnten mehr Menschen die öffentlichen Angebote nutzen, vermutet unser Endlosarbeitspropagandist. Warum sollen mehr Leute in die Bücherei oder ein Bad gehen, wenn Bauhofarbeiter, Müllmänner, Verwaltungsangestellte oder Reinigungskräfte noch länger malochen müssen? Wer hat bei immer längeren Arbeitszeiten überhaupt noch Zeit, kulturellen Angeboten nachzugehen, diese werden doch als Erste geopfert? Bestenfalls noch Arbeitslose, und davon gibt es ja genug, dank solcher Rezepte.
Zusätzlich wird auch noch Flexibilität gefordert. Diese wird auch ohne neuerliche Forderungen bereits ausreichend praktiziert. Warum sollen bei vorhandenen Öffnungszeiten von ungefähr 40 bis 50 Stunden die Woche Rathäuser und Ämter auch noch samstags geöffnet werden, für eine Dienstleistung, welche der Bürger nur einmal im Jahr braucht, wenn überhaupt? Da wird doch das vermeintliche Kostenersparnisprinzip völlig ad absurdum geführt.
Angebliche Wirtschaftsfachleute wie Lesch sollten sich mit der Realität eines deutschen Bediensteten auseinander setzen. Man geht um 7 Uhr aus dem Haus, halbe Stunde Fahrt, 8 Stunden Arbeit, Pausen, Rückfahrt und kommt nach 17 Uhr nach Hause. Da warten Hausarbeit, Zweitjob, Papierkram, Einkäufe oder sonstige Arbeit. Jetzt noch längere Arbeitszeiten, Samstagsarbeit, Rente mit 67 …
UWE WESCH, St. Leon-Rot