Warnsignale aus der Eiswüste

Der Eisbär droht auszusterben. Denn in den Polargebieten wirkt sich der Klimawandel stärker ausals anderswo. Das hat Folgen für die Nahrungspyramide, sagen Forscher des Max-Planck-Instituts

AUS HAMBURGGERNOT KNÖDLER

Der Eisbär droht bis 2080 auszusterben. Nach gestern vorgestellten Berechnungen der Klimaforscher vom Hamburger Max-Planck-Institut (MPI) wird dann die Eiskappe der Arktis (des Nordpols) im Sommer vollständig schmelzen. Damit würde ein ganzes Ökosystem verschwinden und der Eisbär am Ende der Nahrungskette mit der letzten Eisscholle untergehen.

In den arktischen Gebieten wirke sich der Klimawandel drastischer aus als in anderen Regionen, sagt Klimaforscher Jochem Marotzke vom MPI. Hier lassen sich am ehesten die Belege für die Erderwärmung finden, die er und seine Kollegen voraussagen. Zugleich wirken sich Veränderungen an den Polen möglicherweise stark auf den Rest des Planeten aus. Den Stand der Forschung beleuchtet die Universität Hamburg seit gestern auf dem Symposium „Warnsignale aus den Polarregionen“.

Vor allem in der Arktis lassen sich schwerwiegende Veränderungen feststellen. Einig sind sich die Forscher darüber, dass die Lufttemperatur auf der Erde überwiegend aufgrund vom Menschen verursachter Emissionen gestiegen ist. Das Gebiet 62 Grad nördlicher Breite habe sich dabei doppelt so stark erwärmt wie der Globus insgesamt, sagt José Lozán von der Uni Hamburg. Zwischen 1978 und 2005 sei die Eisabdeckung rund um den Nordpol um 25 Prozent zurückgegangen.

Dass sich dadurch der Meeresspiegel erhöht habe, lässt sich nach Aussage von Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven alllerdings nicht nachweisen. „Der Anstieg des Meeresspiegels heute ist allein durch die Erwärmung des Meerwassers erklärbar“, sagt er. Wird das Wasser wärmer, dehnt es sich aus.

Eine Verringerung der Eisdecke in der Antarktis konnten die Forscher hingegen bisher nicht feststellen. Im Gegenteil: Das Eis am Südpol habe sogar leicht zugenommen, sagt Haas. Die Erkenntnisse über die Eisdicke der Antarktis seien allerdings spärlich. Klar ist, dass das Klima am Südpol anders funktioniert, weil sich unter dem Eis festes Land befindet. Das Eis der Antarktis besteht wie das auf Grönland aus Süßwasser und ist zum Teil tausende Meter dick. Das Meereis über dem arktischen Ozean dagegen wird in der Regel nur drei Meter dick und kann der Erderwärmung schlechter widerstehen. An seiner Unterseite siedeln Bakterien und Algen, von denen sich wiederum Flohkrebse ernähren – die ersten Glieder einer Nahrungskette, die bei der Ringelrobbe und dem Eisbär endet.

Wandert der Eisrand nach Norden, verändert sich dieses Ökosystem. Seevögel, die am Eisrand jagen, könnten in die Bredouille kommen, weil die Wege zu ihren Brutkolonien auf dem festen Land zu weit werden, warnt Iris Werner vom Institut für Polarökologie in Kiel. Die Belege für Veränderungen seien bisher aber noch spärlich. „Harte Fakten haben wir in den wenigsten Fällen“, sagt Werner.

Schwer tun sich die Forscher auch mit den Veränderungen der Meeresströmungen, des „atlantischen Förderbandes“, das für ein mildes Klima in Europa sorgt. An der Oberfläche transportiert es warmes Wasser nach Norden, in der Tiefe kaltes Wasser zurück in die Tropen. Jochem Marotzke und seine Kollegen vom MPI haben errechnet, dass die Wassermenge, die hierbei durch das Meer gepumpt wird, durch die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 um 30 Prozent abnehmen wird. Noch verfügen die Forscher aber nur über wenige Daten über die bisherigen Veränderungen, an denen sich ihr Rechenmodell testen ließe. „Wir müssen damit rechnen, dass es Überraschungen gibt“, warnt Marotzke. Bricht die Wärmepumpe zusammen, könnte es in Europa trotz der globalen Erwärmung kälter werden.