Regierung will aufräumen

AUFARBEITUNG Gleich zwei runde Tische zur Aufklärung der Missbrauchsskandale will Berlin einberufen. Dabei gab es Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts

BERLIN taz | Die Regierung bemüht sich, zu einer einheitlichen Linie bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu finden. „Ich unterstütze sehr, dass sich die katholische Kirche intensiv und deutlich mit dem Thema beschäftigt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel der Stuttgarter Zeitung Sonntag aktuell. „Auch in allen anderen Fällen, egal in welcher Schulform, ob privat oder öffentlich, gilt: Aufklärung ist unverzichtbar, und zugleich müssen wir die Prävention weiterentwickeln.“

Damit lobte Merkel indirekt beide Initiativen ihrer Regierung zur Aufklärung: einen von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angeschobenen runden Tisch zu katholischen Fällen, und eine von Familienministerin Kristina Schröder und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) breit besetzte Expertenrunde zur Prävention. Diese soll erstmals am 23. April tagen. Die ähnlich klingenden Vorhaben waren den Ministerinnen in den Medien zuvor als Kabinettsstreit ausgelegt worden.

Doch geben sich alle Beteiligten gelassen. „Das Justizministerium ist zum runden Tisch eingeladen und entscheidet jetzt, wer kommt“, sagte ein Sprecher des Familienministerium am Sonntag der taz. An Schröders Tisch sollen etwa Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, Familienverbände, Internatsträger oder Wohlfahrtsverbände sitzen. „Wir müssen alles daran setzen, diese schrecklichen Taten zu verhindern“, sagte Schröder. „Dazu gehört auch, die Kinder von klein auf stark zu machen und gegenüber Grenzverletzungen zu sensibilisieren.“ Das Ziel der Runde sei vor allem Prävention, heißt es im Familienministerium.

Ob Sabine Leutheusser-Schnarrenberger persönlich erscheinen wird oder sich vertreten lässt, ist noch offen. Sie versuchte in den vergangenen Wochen, eine eigene Runde mit einem anderen Fokus zu initiieren. Sie sollte Vertreter der katholischen Kirche mit Opfern zusammenbringen, die vor Jahrzehnten in kirchlichen Einrichtungen missbraucht wurden.

Diese Idee stieß auf Kritik. „Kindesmissbrauch ist keineswegs auf die katholische Kirche beschränkt“, sagte etwa SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in einem Interview. „Deswegen rate ich der Justizministerin, nicht so zu tun, als müsse nur in der katholischen Kirche nach Schuldigen gesucht werden.“ Ähnlich äußerte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Er betonte, Kindesmissbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das bisher tabuisiert worden sei.

Der Justizministerin gehe es nicht um eine Konfrontation mit der Kirche, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag der taz. „Es geht ihr um eine institutionalisierte Form der Aufarbeitung und Aufklärung, um dem Leid der Opfer gerecht zu werden.“ Strafrechtlich sind die meisten der jetzt bekannt gewordenen Missbrauchsfälle verjährt. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wolle sich schnellstmöglich mit Erzbischof Robert Zollitsch treffen, um diese und andere Fragen zu diskutieren, sagte der Sprecher.

ULRICH SCHULTE