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Archiv-Artikel

Berater im Wasser

SCHWIMMEN Thomas Lurz holt über fünf Kilometer WM-Bronze und macht Zukunftspläne. London hat ihm gut gefallen und er kann sich eine dritte Olympiateilnahme vorstellen

„Ich merke natürlich, dass London viel geholfen hat und ich schon etwas populärer geworden bin als vorher“

THOMAS LURZ

AUS BARCELONA ANDREAS MORBACH

Thomas Lurz ist Realist, durch und durch. Vor zehn Jahren zum Beispiel stand der gebürtige Würzburger im Hafen von Barcelona und sah sich die WM-Rennen der Freiwasserschwimmer an. Lurz selbst kraulte damals zwar noch durchs Becken, sein Wechsel zu den Langstreckenexperten aber war längst eingeleitet. „Eigentlich bin ich sehr gern im Schwimmbecken 1.500 Meter geschwommen“, sagt der 33-Jährige heute. Und er erinnert sich daran, wie die Ratio bei ihm die Lust besiegte.

„Ich wusste“, erzählt der freundliche Franke, „dass ich im Freiwasser einfach mehr Chancen habe. Und ich wusste, dass es olympisch geworden war. Und wenn du die Chance hast, bei den Spielen vorne dabei zu sein, musst du sie nutzen.“ Gesagt, getan. Bei der Olympia-Premiere der Freiwasserschwimmer in Peking holte er Bronze, vier Jahre später in London Silber. Und zwischendurch angelte er sich bei Weltmeisterschaften 16 Medaillen aus den diversen Gewässern.

Zum WM-Start über fünf Kilometer fädelte Lurz am Samstag die Nummer 17 auf seine Erfolgskette, als er mit hauchdünnem Rückstand auf den tunesischen Sieger Oussama Mellouli und den Kanadier Eric Hedlin Bronze holte. „Es ist in Ordnung so. Ich bin zufrieden“, erklärte der zehnmalige Weltmeister anschließend seelenruhig. Denn die Disziplin, die ihn vorrangig interessiert, steht erst am Montag auf dem Programm: die zehn Kilometer.

„Grundsätzlich sind die zehn Kilometer schon immer wichtiger – weil es die olympische Strecke ist“, betont der einzige DSV-Schwimmer, der bei den Spielen in London ein Stück Edelmetall ergatterte. In Barcelona war er diesmal, wie erwartet, zumindest schon mal der Erste in der Reihe – nachdem die Essenerin Isabelle Härle drei Stunden zuvor beim Sieg der Amerikanerin Haley Anderson Fünfte über fünf Kilometer geworden war. Die 25-jährige Härle, in Barcelona auch im Becken über 800 Meter Freistil am Start, solle sich langsam fürs freie Gewässer entscheiden, um noch eine Chance auf Olympia 2016 zu haben. Das fordern unisono Henning Lambertz, der neue Chefbundestrainer der Schwimmer, und Stefan Lurz, im DSV für die Marathonschwimmer zuständig.

Spätestens nach der Heim-EM 2014, sagen die Trainer, müsse sich Härle festlegen. Zu diesem Zeitpunkt im August nächsten Jahres werden auch bei Thomas Lurz die Würfel fallen. Pro oder contra Rio de Janeiro. Olympia-Gold fehlt dem Titelfresser aus dem Fränkischen noch, und fest steht für den Moment zumindest: dass 2016 im Gegensatz zu London, als in einem Ententeich im Hide Park gekrault wurde, im Ozean geschwommen wird, ist für Lurz’ Entscheidung unerheblich. „Es kommt immer darauf an, gegen wen man schwimmt“, sagt er. „Im Meer gibt’s wieder Schwimmer, die da einen Tick besser sind als ich. Ich denke, ich bin ein ganz guter Allrounder. Ich komm mit allem relativ gut zurecht. Ob kalt, ob warm. Ob wellig, ob flach. In welchem Gewässer man schwimmt, kann kein entscheidender Grund sein.“

Wichtiger für seinen Entschluss wird sein, wie stabil und zeitaufwändig sich bis zum nächsten Sommer sein zweites Standbein erweist. Seit Januar arbeitet Lurz in der Personalentwicklung eines bekannten Bekleidungsherstellers. Seine Vorträge über Motivation, Erfolg und Niederlage, die er schon seit vielen Jahren vor Managern hält, verfeinert er für das Unternehmen gerade.

In der Schnittmenge zwischen den beiden Welten fühlt sich Lurz momentan pudelwohl. Geholfen hat ihm auf dem Weg zur offenkundigen Ausgeglichenheit vor allem das jüngste Spektakel im Zeichen der fünf Ringe. „Ich merke natürlich“, erklärt Thomas Lurz zufrieden schmunzelnd, „dass London da viel geholfen hat und ich schon etwas populärer geworden bin als vorher.“