: Konfusion der Kulturen
Auf einer Pressekonferenz wollten sich die Macher des türkischen Films „Tal der Wölfe“ erklären. Doch nach dem Gespräch waren die meisten der versammelten Journalisten so ratlos wie zuvor
Von DANIEL BAX
Am Ende der Pressekonferenz, nach zwei Stunden, platzte dem Moderator Andreas Schneider fast der Kragen: „Warum steht denn nun Tel Aviv auf der Kiste mit den Organen?“, wollte er vom Drehbuchautor Bahadir Özdener wissen. Doch der zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Warum denn nicht Tel Aviv? Beim nächsten Mal werden wir eben Karatschi draufschreiben.“
Schneider moderiert sonst beim RBB die regionale Talksendung „klipp und klar“ und hatte die undankbare Aufgabe übernommen, gestern die Pressekonferenz mit Bahadir Özdener und Raci Sasmaz, dem Drehbuchautor und dem Produzenten des umstrittenen türkischen Action-Films „Tal der Wölfe“, zu moderieren. Obwohl die Verbotsforderungen mittlerweile weitgehend verhallt sind, hat das Medieninteresse an dem Film nicht nachgelassen: Davon kündeten die vielen Kamerateams und die Journalisten, die sich im „Marlene-Dietrich-Saal“ des Hyatt Hotels in Berlin drängten, wohin die Filmemacher kurzfristig geladen hatten.
Unter dem Logo ihrer Produktionsfirma „Pana“ nahmen die beiden Gäste aus der Türkei Platz, um sich den Fragen zu stellen. Doch bald stellte sich heraus, dass es eher auf ein großes Aneinandervorbeireden hinauslaufen sollte. Während die meisten Journalisten im Saal das Gespräch lieber als eine Art Verhör geführt hätten, ergingen sich die türkischen Filmemacher in weitschweifigen und blumigen Erklärungen. „In jedem Volk, in jeder Nation gibt es Gute und Böse“, antwortete Raci Sasmaz auf die Frage, warum der mit Organen handelnde Arzt in seinem Film ausgerechnet ein Jude sein musste. „In Abu Ghraib hat es Organhandel gegeben, das habe ich gelesen“, wurde sein Kollege Bahadir Özdener schon etwas konkreter. Ansonsten aber gab er sich stets unschuldig, wenn es Fragen nach der antichristlichen und antisemitischen Symbolik seines Film gab.
Wenn die beiden türkischen Filmemacher wirklich geglaubt hatten, allein durch die Demonstration ihres guten Willens die Vorbehalte gegen ihren Film ausräumen zu können, dann haben sie sich getäuscht. Die deutschen Journalisten reagierten jedenfalls zunehmend gereizt, je mehr Zeit verstrich. Aber was hatten sie erwartet? Die Filmemacher jedenfalls waren vor allem gekommen, um sich zu verteidigen, weil sie sich missverstanden fühlen: Sie seien weder Antisemiten noch Antiamerikaner. Sie hätten nur einen Film machen wollen, der den Krieg, die Besatzung sowie die Menschenrechtsverletzungen im Irak anprangere, mehr nicht. „Die religiöse Komponente war uns nicht wichtig“, behauptete Özdener: Er sei nur dagegen, wenn die Religion instrumentalisiert werde – ob nun zur Rechtfertigung von Selbstmordattentaten oder, durch George W. Bush, zur Rechtfertigung eines Angriffskriegs.
Möglicherweise spricht da der Film besser für sich selbst, als es seine Macher auf der Pressekonferenz vermochten. Für die Verbotsdiskussion können sie sich sogar bedanken: Sie hat schließlich erst dazu geführt, dass sich die deutsche Öffentlichkeit so intensiv mit ihrer hemmungslos einseitigen Sicht auf den Irakkrieg beschäftigt hat.
Der Streit um „Tal der Wölfe“, so viel lässt sich jetzt schon mal sagen, bildet ein eindrucksvolles Beispiel für den viel beschworenen „Dialog der Kulturen“. Ob er auch das gegenseitige Verständnis befördert hat, steht auf einem anderen Blatt.