: Chance versemmelt
ZEITUNGSMARKT „Der Sport-Tag“ will „Kicker“ und „Bild“ Konkurrenz machen – und scheitert kläglich daran
Was machen Zeitungen und Magazine üblicherweise, wenn sie neu auf den Markt kommen? Sie nehmen Geld in die Hand und verschießen ihr Pulver. Die einen buchen in Kiosken auffällige Liegeplätze für ihre Ausgaben, die anderen kommen mit spektakulären Enthüllungen daher oder befeuern laufende Debatten mit exklusiven Inhalten.
Aber was macht Der Sport-Tag, der gestern in Berlin als Tageszeitung startete und von morgen an auch in weiteren Regionen der Republik zu haben sein wird? Nichts! Exklusivität suchen die Leser vergeblich, sodass 50 Cent für 24 Seiten viel zu teuer sind. Der Sport-Tag zeigt sehr eindrucksvoll, wie durch und durch anspruchslos sich Leibesübungen präsentieren lassen.
Ihrem Titelthema „Der Wüstenkönig von Bahrain“ widmete die Berliner Redaktion immerhin drei Seiten. Das Problem: Den Bericht vom Formel-1-Rennen konnten die Leser schon zuvor im Netz lesen, unter anderem auf der Spreeradio-Website. Genauso sieht es mit dem „aktuellen Formel-1-Gespräch“ mit Michael Schumacher aus, das bereits auf der Webseite der ARD-„Sportschau“ stand. Und auch die „Einschätzung von Mercedes-Teamchef Ross Brawn“ gab’s zuvor schon bei Welt Online.
Der Sport-Tag bedient sich fast ausschließlich bei den Nachrichtenagenturen dpa und SID – ein Einheitsbrei, der sich über den Rechner andernorts kostenfrei abrufen lässt. Mit den Idealen von Gazzetta dello Sport (Italien), Marca (Spanien) oder L’Equipe (Frankreich) hat das Projekt nichts zu tun, auch wenn in einer Mitteilung zum Start entsprechend geworben wurde.
Dem Sport-Tag fehlt sichtlich die Gabe, Gesprächsthemen zu setzen, um Kicker oder Bild ernsthaft Konkurrenz zu machen. Im Blatt wirbt die Redaktion um Sekretärinnen, Producer und auch Redakteure – einzige Anforderung für diese Position: „Was Sie bisher über Sport geschrieben haben, wurde auch veröffentlicht? Dann senden Sie Ihre Bewerbung …“
Hinter dem Sport-Tag steht der Verleger Michael Hahn (nurTV, TV Sudoku). Fünf „sportlich stark interessierte Gesellschafter“ würden zudem dafür sorgen, dass das Projekt nicht am Geld scheitere, sondern nur „wenn es der Markt nicht will“. Die Frage ist bloß: Warum sollte er? DANIEL BOUHS