: Der Spezialist für alles
Auf seiner Visitenkarte stand als Berufsbezeichnung einfach nur „Spezialist“. Dieter Grönling war der Rettungsanker für seine Freunde, sobald sich unerklärliche Phänomene auf den Bildschirmen zeigten. Ein kleines, verwunschenes Problem, das es zu lösen galt, konnte ihn mehr aus sich herauslocken, als die langweiligen großen Fragen der Menschheit.
Ein bärenhafter Mann, weißhaarig und mit dem Gesicht eines zufriedenen Weinbauern. Ein Genussmensch, der gerne selbst kochte und aß. Zugleich stets up to date und ohne technisches Spielzeug nicht vorstellbar. Es begeisterte ihn, die Welt der Computer und des Internets, der er sich verschrieben hatte, mit einigen geschickten Drehungen aufzumischen und abschmieren zu lassen, um sie viel besser wieder aufzubauen, versteht sich. Dieter war Hesse, von teils gefährlich anmutender, jäh aufbrausender Heftigkeit und Unbeirrbarkeit, die diesem oft verkannten Völkchen innewohnt. „Rumsfeld“ lautete daher zeitweilig sein Spitzname. Hessisch war aber auch seine spielerische, neugierige Art: Er konnte zuhören und schrieb unverwechselbar – ein Journalist alter Schule. Wenn er in seinen Texten erzählte, dann „menschelte“ es. Und auch wenn er in der großen geschwätzigen Runde oft eher stiller genüsslich rauchender Teilhaber war, hatte er am Wirtshaustisch allein durch ein Lachen und eine spitze Bemerkung mehr zu sagen als die meisten.
Die taz, für die er nicht wenig geleistet hat, nannte er „das längst nicht mehr linke Traditionsblatt für Neospießer“, und er nahm auch sonst nie ein Blatt vor den Mund. Nur über sich selbst hatte er beschlossen, „das Maul zu halten“. In der Marburger Gegend geboren, war er sein Leben lang unterwegs. Lange auf Reisen, später mehr und mehr im Netz. Daher wusste er etwa auch, dass wikiwiki auf Hawaianisch schnell bedeutet.
Als Lektor, Herausgeber, Redakteur, Ressortleiter, freier Journalist und Buchautor immer mit Arbeit eingedeckt, hat er davon geträumt, „seine PCs zu entsorgen, um in einer weißen Villa über der portugiesischen Atlantikküste an einem weißen Flügel die Oper seines Lebens zu schreiben“. Wikiwiki zu sterben, das hätte sich Dieter nicht träumen lassen. Mein Lieber, warte bitte mit der Uraufführung, bis wir alle da sind. TOM WOLF