Die Versuchung, komisch zu sein

BUDENZAUBER Milan Peschel setzt als Regisseur auf Slapstick: Im Gorki Theater inszeniert er „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams

Cristin König spielt die verschroben-neurotische Mutter mit Hingabe und Energie

In der Mitte der Aufführung geht die Bühne auf. Vorher war nur Fassade gewesen, das Zitat eines kleinbürgerlichen Stücks, fast schon eines Schwanks. Es gab eine Wand mit Blümchentapete, einen Küchentisch, eine Küche mit Ofen, in der sich die Zigaretten befanden. Milan Peschel, bekannt als Schauspieler, eines der Gesichter der Volksbühne, inszenierte „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams am Maxim Gorki Theater als das, was es zunächst auch war: ein Stück über einfache Verhältnisse, über den Einbruch der Wirtschaftsdepression, über die amerikanische Unterschicht der 1930er-Jahre. Ein Stück, in dem deutliche autobiografische Spuren angelegt sind, das also nicht nur von Herkunft und Hintergrund seines Autors erzählt, sondern nachgerade auch von dessen geglückter Flucht vor diesen Verhältnissen.

Peschel belässt diesen Aspekt auch, er bekräftigt ihn sogar, versucht aber auf einer zweiten Ebene aus der „Glasmenagerie“ etwas zu machen, was es nicht ist: eine Komödie nämlich. Sicher besteht die große Kunst bei Tennessee Williams gerade in den zugespitzten Dialogen; und in der Vorführung eines Milieus. Das Stück ist, wie es im Untertitel auch heißt, „ein Spiel der Erinnerungen“. Peschel indes versucht, seine in der Volksbühne gelernten Gimmicks auszuspielen, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Also passiert eine Menge Slapstick, es gibt kleine und größere Gags, viel Budenzauber, und in der zweiten Hälfte des Stücks, als die Bühne sich öffnet und Tiefe gewinnt, Tricks aus der Bühnentechnikkiste. Lichteffekte und ein kreisender Bühnenboden, auf dem der Schreibtisch des heimlichen Autors Tom Wingfield (Ronald Kukulies) eine kleine Seefahrt unternimmt.

Kukulies legt die Figur des Tom zunächst als aufbrausenden Erzähler, der ironisch über dem Geschehen steht, an; erst später fällt er zurück in die eigentliche Rolle, nämlich in die des leicht bräsigen, in die Textwelt flüchtenden Autors, der tagsüber in einem Lagerhaus arbeitet und damit die Familie ernährt. Die Familie besteht aus der von ihrem Mann sitzen gelassenen Mutter Amanda, einer ehemalige Schönheit, und aus Toms Schwester Laura, die aus einer körperlichen Versehrtheit ein Drama macht, das Schüchternheit und mangelnde soziale Kompetenz produziert. Letztere leider etwas eindimensional angelegt von Ninja Steigenberg, die auch von den Gags ausgeschlossen bleibt. Großer Lichtblick in der Aufführung und auch die Einzige, die den angestrebten Spagat zwischen Stück und Komik plausibel hinbekommt, ist Cristin König, die die verschroben-neurotische Mutter mit Hingabe und Energie spielt. Größter Applaus für sie.

Als sich die Bühne öffnet, kommt Jim O’Connor (Andreas Pietschmann) hinzu, heimlicher Schwarm von Laura und die von allen erhoffte Retterfigur. Die er am Ende natürlich nicht ist. Auch Pietschmann bleibt im Rahmen – die Inszenierung, die eindeutig von der Dialogkunst Williams’lebt und den Staub der Jahre eben mit jener Verlustigung zu überwinden versucht, rettet er nicht. Maike Rosa Vogel, die die Szenenwechsel mit Songs untermalt, auch nicht.

Vielleicht hätte Peschel tatsächlich einen anderen, wesentlichen Punkt in der Biografie des Autors in den Vordergrund rücken sollen. Wie Peschel in einem Interview mit der Zitty sagte: „Im Stück geht der Sohn zwar ins Kino, aber Tennessee Williams selbst, der in Wirklichkeit auch Tom hieß, war nachts unterwegs gewesen, um Jungs aufzureißen. Doch ich will kein Stück über einen Homosexuellen machen.“ Warum eigentlich nicht? Vielleicht läge darin subversives Potenzial. So ist es nicht viel mehr als ein Stück über einen Autor aus einfachen Verhältnissen geworden, das versucht, komisch zu sein. RENÉ HAMANN

■ Weitere Aufführungen: 19. 3., 13. 4., 27. 4.