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Archiv-Artikel

Landgericht betritt juristisches Neuland

FINANZKRISE Der Prozess gegen den ehemaligen Vorstand der HSH Nordbank hat begonnen. Und hier geht es letztlich um die Frage, wo Fahrlässigkeit endet und Untreue beginnt

Von KNÖ

Vor dem Hamburger Landgericht hat am Mittwoch der Prozess gegen den Ex-Vorstand der HSH Nordbank begonnen. Die Richter wollen klären, ob sich die Banker bei einem Geschäft zur Bilanzverschönerung Ende 2007 und Anfang 2008 pflichtwidrig verhalten haben, indem sie sich nicht genügend mit dessen Risiken beschäftigten. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf 158 Millionen Euro.

In dem Prozess geht es nach den Ausführungen des Gerichts letztlich um die Frage, wo bei einer unternehmerischen Entscheidung die Fahrlässigkeit endet und die Untreue beginnt. „Risiken einzugehen, ist in unserem Wirtschaftssystem die Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften“, sagte der Vorsitzende Richter Marc Tully. Risikoträchtige Geschäfte dürften aber nur auf hinreichend geprüfter Tatsachengrundlage getätigt werden.

Zugleich gelte, dass der Tatbestand der Untreue eigentlich einen Vorsatz voraussetze. Klassiker hierfür wäre der Griff eines Angestellten in die Firmenkasse. Untreue könne allerdings auch uneigennützig sein, wenn sie etwa zur Rettung eines anvertrauten Vermögens begangen werde.

Tully betonte das Ungewöhnliche des Nordbank-Verfahrens. Zur juristischen Würdigung eines so genannten Koppelkreditgeschäftes wie dem der Nord-Banker gebe es „fast keine obergerichtliche Rechtsprechung“, lediglich einige Aufsätze. „Diese Strafkammer betritt juristisches Neuland“, sagte er.

Im Mittelpunkt des Prozess steht ein Geschäft namens Omega 55, mit dem die Nordbank das Risiko von Immobilienkrediten im Umfang von zwei Milliarden Euro auslagerte, um dafür kein Eigenkapital vorhalten zu müssen. Im Gegenzug musste die HSH das Risiko für ein Paket von Krediten und Anleihen von Staaten und großen Unternehmen übernehmen, das sich als verlustreich erweisen sollte.

Das Gericht will klären, ob das Risiko des Omega-Geschäfts nach den 2007 geltenden Mechanismen und Kenntnissen angemessen bewertet wurde. Bei der strafrechtlichen Bewertung komme es allein „auf eine vernünftige Prognose zum Zeitpunkt der Vermögensentscheidung an“, sagte Tully.  KNÖ