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Archiv-Artikel

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MEIKE JANSEN

Wie gesellschaftspolitisch kann eine Ausstellung sein, die die Arbeit einer Kuratorin reflektiert? Das fragt man sich, wenn man die Wanderausstellung der ausgesprochenen Konzeptkunstliebhaberin und politisch interessierte Lynda Morris bei BQ anschaut. Das Potpourri an Werken, das sich in jegliche Freiräume der Galerie drängt, ist ein „Who is who“ bekannter KünstlerInnen, mit denen die englische Ausstellungsmacherin seit den 60er Jahren gearbeitet hat. Eine rasant heterogene Mischung! So finden sich neben Werken von Bernd & Hilla Becher, Douglas Huebler, Marcel Broodthaers und Gerhard Richter Arbeiten von Gilbert & George, Lucy McKenzie oder Jeremie Deller und John Wonnacott. Das Besondere aber an Dear Lynda … From „When Attitudes Become Form“ to „Picasso: Peace and Freedom“ ist die Ausstellungsanordnung, die keiner kunstgeschichtlichen Linie folgt, sondern eine persönliche Erzählung der letzten 40 Jahre beschreibt, in denen Morris im Kunstbetrieb umtriebig ist. 1947 im schottischen Gourock geboren, hat sie nie den Außenblick verloren. Was vor allem daran liegen mag, dass sie als Professorin in Norwich im Osten Englands lebt und lehrt. Hier hat sie in den letzten etwa 25 Jahren das EASTinternation, eine jährlich stattfindende Ausstellung etabliert, die die mittelgroße Universitätsstadt im internationalen Kalender für zeitgenössische Kunst festschreibt. Auch wenn sie zahlreiche Ausstellungen in den Metropolen zusammengestellt hat, ihre Distanz zum Kunstzirkus und damit ein eher leidenschaftliches und womöglich gegenüber Platzhirschen der Szene unvoreingenommeneres Auftreten, scheint ihr eigen. Was sie interessiert, ist Kunst, und die findet sie selbst, wenn diese vermeintlich verborgen ist. So entdeckte sie bereits 1983, während ihres letzten Berlinaufenthalts (!) Neo Rauch, von dem ebenfalls einige Grafiken zu sehen sind. 1983? Richtig. Morisson interessierte sich nie wirklich für Westberlin. Dafür erkundete sie, während sie eine Freundin in Ostberlin besuchte, immer wieder die Kunstszenen in der DDR. Und auch heute ist ihr „die andere Seite“ wichtig. Sie ist neugierig und gibt den BesucherInnen nicht selten die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen, sich zu spiegeln. Nicht nur in jedem einzelnen Werk, auch in der Ausstellungsdramaturgie. Und genau dafür haben Jörn Bötnagel und Yvonne Quirmbach ihre Reihe „Zu Gast“ ins Leben gerufen: Raus aus dem Trott. Einen Blick auf Menschen und Vorgänge zu werfen, an denen man ansonsten vorbeischaut. Mit Lynda Morris haben sie jedenfalls eine vortreffliche Wahl getroffen. (BQ, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Weydingerstr. 10)