: Er ging, um in Polen berühmt zu werden
In der bergischen Heimat ist er ein Niemand, in Polen ist er ein Star. Vor zehn Jahren ging Steffen Möller von Wuppertal nach Warschau, um als Lehrer Deutsch zu unterrichten. Heute kennt ihn jeder in Polen – als den lustigen Deutschen aus dem Fernsehen, der als Bauer Frittier-Kartoffeln anbaut
VON BIRGIT ULRICH
Er ist ein unauffälliger Typ, dieser Steffen Möller, mit akkuratem Kurzhaarschnitt, in Jeans und Pulli, die „Gazeta Wyborcza“ unter dem Arm. Vor zehn Jahren hat er tatsächlich rüber gemacht nach Polen – sein einziges Gepäck ein Abschluss in Theologie und Philosophie und rudimentäre Polnischkenntnisse. Damals hätte er sich nie träumen lassen, dass er als Schauspieler in einer polnischen Fernsehserie berühmt werden würde. „Ich wollte immer in Italien leben, in Florenz,“ meint der gebürtige Wuppertaler. Aber da habe es ihm gar nicht gefallen. Und jetzt – jetzt sei er eben in Polen und alles nur wegen eines zweiwöchigen Polnisch-Kurses in Krakau während des Studiums.
Vom Lehrer zum Star
Zunächst verdiente Möller sein Geld als Deutschlehrer an einem polnischen Gymnasium in Warschau, später gab er Konversationskurse an der Uni. Doch nach sechs Jahren hatte der Exil-Deutsche genug von lärmenden Schülern und sprachfaulen Studenten. „Ich hatte damals eine Art Umbruchkrise und bin nach Krakau umgezogen“, sagt er.
Gern erinnert er sich an seine ersten Gehversuche als Kabarettist in Krakau, an den ersten Auftritt in der Radioshow von Artur Andrus, dem Harald Schmidt von Polen. Ein zweiter Platz bei einem Kabarettwettbewerb verhalf ihm schließlich zu einer Rolle in Polens beliebtester TV-Serie „M jak Milosc“ („L wie Liebe“) und damit zum nationalen Durchbruch. „Die Serie ist das gesellschaftliche Ereignis, der absolute Straßenfeger,“ sagt Möller ohne seinen Stolz zu verbergen. Zur Primetime werde sie von zehn Millionen Menschen gesehen.
Jeder vierte Pole kennt, ja liebt ihn: Den Vorzeige-Deutschen, den „netten Nachbarn“, der als Bauer Frittier-Kartoffeln anbaute, mittlerweile einen Pub betreibt und das Pech in der Liebe gepachtet hat. „Für viele Polen auf dem Land bin ich der einzige Deutsche, den sie je kennen gelernt haben,“ erklärt Möller seine Rolle. Es arbeiteten zwar immer mehr Polen in Deutschland, aber die seien eher eine Ausnahme. Für alle anderen sei er zu einer Art Leitfigur geworden, die das Bild der Deutschen in Polen maßgeblich beeinflusse. Alles er in der Fernsehserie sage oder tue sei gleich „typisch deutsch“.
Ein Politikmuffel
Seinen Einfluss würde er jedoch niemals ausnutzen, sagt Möller, zumindest dann nicht, wenn es um Politik gehe. „Für mich ist es angenehm, dass ich mich aus solchen politischen Sachen raushalten kann“, Der Komödiant ist ein bekennender Politikmuffel: „Wenn ich mir nur überlege, wie viel Zeit es im Vorfeld der Bundestagswahlen in Deutschland gekostet hätte, immer mit Freunden darüber diskutieren zu müssen.“
Die eingesparte Zeit hat Möller längst mit anderen Dingen vertan. Vor drei Jahren startete er seine eigene Fernsehshow „Europa da sie lubic“ („Europa kann man mögen“), eine Art Talkshow, in der er mit europäischen „polnophilen“ Gästen seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht – der Ergründung der europäischen Mentalitätsunterschiede. Vaterländische Subjektivität ist dabei erwünscht. Außerdem moderiert Möller die erste Staffel des polnischen „Wetten dass...?“ und hat begonnen, ein Buch über das polnische Gemüt zu verfassen. Doch um das Buch ginge es ihm dabei gar nicht. Wichtig sei nur die polnische Mentalität.
Deutsch-polnisches Tabu
Wenn Möller etwas gelernt hat von den Polen, dann ihre Mentalität zu respektieren und sich zurück zu halten. „Die deutsche Direktheit“, sagt er, „die kommt hier gar nicht an.“ Am besten führe man, wenn manchmal einfach den Mund gehalten würde. Deshalb klammert der erfolgreiche Kabarettist kritische Themen lieber aus seiner Show aus. Polenwitze sind zwar drin, aber bitte ohne politische Spitzen und ganz bestimmt Papst frei.
Aber auch ohne politischen Anspruch – oder gerade deswegen – sammelt der Medienstar Preise wie andere Leute Briefmarken. Neben dem begehrten polnischen Fernsehpreis „Telekamera“ wurde ihm 2005 für sein Völker verständigendes Engagement sogar das deutsche Bundesverdienstkreuz von Botschafter Reinhard Schweppe ans Revers geheftet.
Seine Heimat hat Steffen Möller deshalb auch nicht vergessen. „Zweimal im Jahr fahre ich schon noch ins Bergische Land und treffe mich mit Freunden und meiner Familie.“ Aber er vermisse Deutschland nicht. Schließlich hat er in Polen auch die Liebe seines Lebens gefunden. Die Chance war immerhin „Eins zu 40 Millionen.“ Er grinst.