: Holsteiner Schinken und Heidekartoffeln
KONSUM Immer häufiger wird mit der regionalen Herkunft von Lebensmitteln geworben. Besonders gut kommt die Kombination mit einem Bio-Siegel an. Umso genauer hinschauen, rät die Verbraucherzentrale
VON JOACHIM GÖRES
„Ein gutes Stück Heimat. Salzchips aus deutschen Kartoffeln.“ So steht es auf der Chipstüte beim Lebensmittel-Discounter Lidl. Keine langen Transportwege, Anbau in der Region nach hohen Standards – so soll beim Verbraucher Vertrauen in die Qualität der Produkte geschaffen werden. Von diesem Trend wollen die landwirtschaftlichen Betriebe profitieren. Rund 40.000 davon gibt es alleine in Niedersachsen, nur 1.500 von ihnen vermarkten ihre Erzeugnisse direkt. Etwa zwei Drittel davon haben einen eigenen Hofladen, auch der Verkauf auf den Wochenmärkten oder direkt an den Lebensmitteleinzelhandel und Restaurants erfreut sich wachsender Beliebtheit. Doch das Geschäft ist nicht einfach.
„Vielen Gastronomen ist es egal, woher ihre Ware kommt, Hauptsache, sie ist billig. Und sie geben sich auch keine Mühe, mit der Herkunft ihrer Produkte zu werben“, sagt Thorsten Pitt, Direktor des Mövenpick-Restaurants in der Autostadt Wolfsburg. Seiner Ansicht nach ist das der falsche Weg. In seinen Restaurants kommen fast ausschließlich Gerichte mit Bio-Produkten aus der Region auf den Tisch.
Kontakt zum Erzeuger
Das hat seinen Preis. Der Gast könne bei ihm kein Billigessen erwarten, doch er schätze es, dass die Zutaten hier aus der Gegend kommen. „Ich kenne alle Produzenten persönlich und weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann“, sagt Pitt. Das spiele angesichts von Lebensmittelskandalen eine immer größere Rolle.
2,5 Millionen Menschen besuchen jährlich die Autostadt. Diese großen Mengen schrecken viele Bauern ab. Nicht so Gerhard Dehlwes, Chef der Bio-Hofmolkerei Dehlwes aus Lilienthal: „Die Autostadt und die Uni Oldenburg sind für uns die wichtigsten Großverbraucher“, sagt er. „Man braucht eine gewisse Flexibilität, damit man einen abends eingehenden Auftrag am nächsten Tag erfüllen kann.“
Dehlwes Familienbetrieb hat 260 Kühe und 240 Hektar Land sowie eine eigene Molkerei mit 14 Mitarbeitern. Dort werden Milch, Butter, Joghurt und Quark hergestellt, die Dehlwes zu 70 Prozent an den Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Seine Kunden kommen aus der Region zwischen Bremen, Hamburg und Hannover. „Das reicht uns, wir wollen nicht größer werden“, sagt der Landwirt und ergänzt: „Es geht nicht nur um die regionale Herkunft, sondern auch die Bio-Qualität ist wichtig.“ Nur beides zusammen sichere den Erfolg.
Auf der Seite der Abnehmer steht Otto Görge, Inhaber von zehn Edeka-Märkten in Braunschweig. Er wird von 30 Firmen mit Regionalprodukten beliefert. Auf den Preisschildern wird diese Ware besonders ausgezeichnet und auf die Herkunft aus dem Umkreis von 30 Kilometern hingewiesen. „Für 80 Prozent unserer Kunden spielt das eine Rolle“, sagt Görge. „Sie haben ein größeres Vertrauen in heimische Lebensmittel.“
In den Märkten der Kette Real finden unter dem Motto „Gutes aus der Heimat“ Verbrauchermessen statt, bei denen regionale Produzenten die Kunden an Verkostungsständen von ihrer Ware überzeugen und so für den Verkauf im Laden werben wollen. Die Stände bei Real in Celle waren kürzlich gut besucht – kostenlose Häppchen erfreuen sich großer Beliebtheit.
Ein Problem der Menge
Doch das Regionale kennt Grenzen: Erdbeeren aus dem 80 Kilometer entfernten Springe, die zusammen mit Erdbeermarmelade und Erdbeersekt als typisches Produkt aus dem Calenberger Land angeboten werden, lösen fragende Blicke aus. Interessierte wollen häufiger wissen, wo das Calenberger Land überhaupt liegt. Und als sie hören, dass die Flasche Sekt 7,49 Euro kostet, gehen fast alle weiter.
„Das Problem ist doch, dass viele Produzenten gar nicht die gewünschten Mengen liefern können“, sagt Alfred Müller vom Verein Hi-Land, der Produkte aus der Region Hildesheim vermarktet. Tatsächlich haben Lebensmittelmärkte auch Interesse an kleineren Zulieferern aus der Region, doch häufig entscheiden nicht die Kaufleute vor Ort darüber, sondern die weit entfernte Zentrale ihrer Lebensmittelkette. „Um bei Supermärkten gelistet zu werden, müssen wir diverse Zertifikate vorlegen. Für drei Kisten Salate ist das für uns als kleiner Betrieb eine zu große Hürde“, sagt Helmut Zacharia, Inhaber der Börde-Gärtnerei Bioland aus Erxleben.
Die Verbraucherzentralen verfolgen die Entwicklung mit Skepsis, da es bislang kaum Kriterien dafür gibt, was tatsächlich als regionales Produkt gilt. „Die Lebensmittelkette Combi nennt ihre Eigenmarke ‚Küstengold‘, auch wenn ihre Produkte nichts mit der Küste zu tun haben“, kritisiert Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Das sei vielen Verbrauchern aber nicht klar. Es müssten klare Regeln her. „Derzeit ist es nur verboten, Kunden zu täuschen und das muss man erstmal nachweisen“, sagt Grunewald.
Schwer umkämpfter Markt
Gleichzeitig versuchen immer mehr Produzenten, sich die Herkunft ihrer Ware durch eine neutrale Stelle bestätigen zu lassen. Für den Nachweis, dass ein für eine Region typisches Produkt auch dort erzeugt, verarbeitet oder hergestellt wurde, vergibt die EU das Siegel „Geschützte geografische Angabe“. Wenn alle drei Kriterien erfüllt werden, kann mit dem Siegel „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ geworben werden.
Mehr als 60 Produkte aus Deutschland haben bereits diesen EU-Herkunftsschutz verliehen bekommen, etwa der Holsteiner Katenschinken oder die Lüneburger Heidekartoffel. Sieben Fleischereibetriebe aus Vorpommern haben sich zur Schutzgemeinschaft „Pommersche Fleisch- und Wurstwaren“ zusammengeschlossen und für drei Wurstsorten beim Deutschen Patentamt einen Antrag auf EU-Herkunftsschutz gestellt.
Darauf hat das Unternehmen Rügenwalder Mühle, das aus dem hinterpommerschen Rügenwalde stammt und seit 1946 in Niedersachsen Pommersche Gutsleberwurst herstellt, gerade mit ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen unter dem Motto „Moin, wir sind die Rügenwalder“ reagiert. Er ist hart umkämpft, der Markt für regionale Produkte.