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Archiv-Artikel

Sex im Park statt Militarismus

EXTERNE LIEBESERKLÄRUNG

Londons Bürgermeister schwärmt von Berlins teutonischer Gelassenheit

Erinnert sich noch jemand an Frank Steffel? Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Reinickendorf wollte im Jahr 2001 Regierender Bürgermeister werden – und versemmelte seine ohnehin dürftige Siegchance endgültig, als er mitten im Wahlkampf verkündete, München sei für ihn die schönste Stadt Deutschlands. Seither regiert Klaus Wowereit die Stadt, dem trotz aller Flughafendebakel immer noch das Etikett „cool“ anhaftet. Auch weil der Dorfchef in all den Jahren nie auch nur den Hauch eines Zweifels aufkommen ließ, dass Berlin die Stadt der Städte ist.

Dass dieser letztlich weniger coole als piefige Lokalpatriotismus durch eine weltgewandte Smartness locker getoppt werden kann, bewies in dieser Woche ausgerechnet Wowereits Londoner Amtskollege Boris Johnson. Nach einem Besuch im sommerlichen Berlin schwärmte der Hallodri der britischen Konservativen nicht nur im stillen Kämmerlein von der deutschen Hauptstadt. „Wenn ich in meinen Zwanzigern wäre und London verlassen müsste, dann, glaube ich, wäre Berlin der Ort meiner Wahl gewesen“, schrieb Johnson in der britischen Zeitung The Telegraph. Es gebe hier viel „zu bewundern und zu kopieren“: billige Mieten, Restaurantessen „in angemessen germanischen Portionen“, Mädchen, die Selbstgedrehte rauchen, und überall den „Eindruck fieberhafter teutonischer Gelassenheit“.

Dieser Eindruck sei so stark, dass er sogar seinen Großvater für widerlegt hält. Der Kriegsveteran und spätere Präsident der Kommission des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte habe stets eine Grundbedingung für Frieden genannt: „Wir müssen die Deutschen von der Wiedervereinigung abhalten.“ Doch Enkel Johnson findet „nicht das geringste Zeichen von Militarismus“ in einer Stadt, in der das ernsteste Problem öffentlicher Ordnung sei, dass die Berliner „in ihren vielen schönen Parks kopulieren“. Zumal – ach, wie mitfühlend – eine Strafe von 150 Euro drohe, Arbeitslose aber mit 34 Euro davonkämen.

Und was macht Berlin mit der geschenkten Hymne? Die Boulevardblätter diskutieren, ob der Arbeitslosen-Sexrabbat gerecht sei. Die seriösen Zeitungen recherchieren, ob die Rabattgeschichte überhaupt stimmt (Antwort: nur so halb, aber was soll’s). Und das Bezirksamt Mitte plant weiterhin einen Zaun um den sexy Tiergarten.

Wie gut, wenn wenigstens reisende Briten ihr Augenmerk auf die wirklich smarten Aspekte Berlins richten. GEREON ASMUTH