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Archiv-Artikel

BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER In der Krise setzt Deutschland auf Schnitzel

Jan Feddersens Gastro-Kritik: Die Schnitzelei im No-No-Teil Charlottenburgs lockt mit dem Versprechen, nichts als Schnitzel zu bieten

Das Eckhaus beherbergte früher eine Kneipe namens Wooloomooloo und galt als heißer Tipp in der Ausgehszene. Aber wie die Moden so spielen in einer Metropole: Plötzlich war man out. Australisches? Pfff! Besitzer Steffen Schneck ist auch Betreiber des Nola am Weinbergspark. In diesem Fall musste er umdenken.

„Das ist das Sicherheitsdenken“, sagt der Deutschschweizer, „die Leute fühlen sich nicht mehr so sicher – und trauen beim Essen fast nur noch Dingen, die ihnen sicher schmecken werden.“ Und Schnitzel, darauf muss man erst mal kommen, ist so deutsch wie in Italien die Nudel: Also nannte er seinen Laden nach dem Reload „Schnitzelei“.

Schwierig bleibt auch dieser Versuch: Gegenüber, auf der anderen Spreeseite, sieht man ein Kraftwerk prunken, in der Nachbarschaft gibt es eine Fülle von Sozialwohnungspalästen. Schneck räumt ein: „Wir können nicht von Laufkundschaft leben.“ Also musste er sich mit seinem Team Mühe geben.

Das Interieur ähnelt dem des Nola (taz-Gastro-Kritik vom 13. 11. 2005). Man sieht an den Wänden grob polierte und terrassierte Paneele aus Holz, die Tische ebenfalls mehr gröblich designt, die Oberflächen mehr gewachst als auf Glanz getrimmt. Man hat es gemütlich, ohne an der Behaglichkeit ersticken zu müssen.

Das Essen … zunächst ist vom Pfiff zu berichten, einem weizenbierähnlichen Getränk als Amuse gueule der flüssigen Art, gereicht wie ein Cocktail. Nett. Schließlich die Tapas der deutsch-schweizerischen Art, gereicht in Schälchen. Tafelspitzsülze, Wurstsalat, Pflaumen im Speckmantel: akkurat lecker.

Und dann das Schnitzel. Der Klassiker, die Wiener Art, fällt fein aus, auch wenn der Gurkensalat etwas spitz mundet, möglicherweise des Salzes wegen. Das Fleisch glänzte auf der Panade etwas zu fettig, aber es mundete köstlich. Das Steak meiner Begleitung hieß ebenfalls Schnitzel, war aber vom Angusrind. Alles wird eben zum Schnitzel, man muss es nur wollen: Selbst die Pfannküchlein in einer sensationellen Kirschsoße heißen Quarkschnitzel.

Einziger echter Kritikpunkt: Schnitzel buchstabiert im Volksbewusstsein, klassenunabhängig, auf Jäger- wie Zigeuner-(Rom & Sinti-)Schnitzel. Und ebendiese fehlen im Angebot: Schade, man hätte gern gewusst, was man aus diesen Fernfahrerklassikern in feiner Küche so gemacht hätte.

Der Laden verdient Beachtung. Man kann dafür eine Autofahrt ins ferne Charlottenburg in Kauf nehmen. Mut zum Reloading in klammer Konjunkturlage muss belohnt werden.

SCHNITZELEI, Röntgenstr. 7, 10587 Berlin, Fon (0 30) 34 70 27 77, www.nola.de, dortselbst der Link zur Charlottenburger Dependance. Geöffnet Montag bis Samstag 16 bis 24 Uhr, Sonntag 10 bis 24 Uhr, Nähe U-Bahn Richard-Wagner-Platz, dann fünf Gehminuten zur SpreeHauptgerichte ab 10 Euro; Getränke: Bier und Wein der üblichen Sorten ab 3 Euro