: Richter für mehr Volksmacht
VERFASSUNGSGERICHT Der neue Präsident plädiert für höhere Hürden bei Grundgesetzänderungen. Verfahrensflut bringt Justiz an Kapazitätsgrenzen
ANDREAS VOSSKUHLE
BERLIN taz | Der am Dienstag zum neuen Verfassungsgerichtspräsidenten ernannte Andreas Voßkuhle hat sich für stärkere plebiszitäre Elemente in Deutschland ausgesprochen. „Die parlamentarische Demokratie hat sich bewährt. Aber eine Ergänzung durch plebiszitäre Elemente halte ich für sinnvoll, vor allem bei Änderungen des Grundgesetzes“, sagte Voßkuhle im taz-Interview. Ein solches Verfahren würde die Hürde für Grundgesetzänderungen noch höher legen, weil es neben einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag eine Zustimmung der Bevölkerung erzwänge.
Trotz einer Flut von Verfahren will Voßkuhle die Möglichkeiten zu Verfassungsbeschwerden nicht einschränken. „Zwar wäre es sinnvoll, wenn sich das Gericht auf grundlegende Verfassungsfragen konzentrieren könnte. Allerdings wäre die hohe Akzeptanz des Gerichts gefährdet, wenn Bürger nicht mehr in jedem Einzelfall das Verfassungsgericht anrufen können“, sagte Voßkuhle.
Momentan bearbeiten die Karlsruher Verfassungsrichter rund 6.500 Verfahren im Jahr. Derzeit sei die Funktionsfähigkeit des Gerichts noch gewährleistet. Voßkohle warnte aber: „Wenn die Eingänge weiter ansteigen, ist bald die Grenze erreicht. Dann muss das Bundesverfassungsgericht entlastet werden.“
Der mit 46 Jahren bislang jüngste Präsident des Karlsruher Gerichts hält es nicht für notwendig, dass der Bundespräsident umstrittene Gesetze intensiver auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft. „Das halte ich für keine gute Idee“, sagte Voßkuhle. Der Bundespräsident solle lediglich prüfen, ob bei der Gesetzgebung alles richtig abgelaufen sei. „Nur in ganz offensichtlichen Ausnahmefällen kann er aus inhaltlichen Gründen einem Gesetz die Unterschrift verweigern“, sagte er.
Andreas Voßkuhle ist von der SPD als Kandidat für Karlsruhe benannt worden. Zuletzt hatte bis vor acht Jahren Jutta Limbach als SPD-nominierte Präsidentin in Karlsruhe gewirkt. Zu seinen persönlichen Ambitionen sagte er: „Das Bundesverfassungsgericht ist kein Ort der Selbstverwirklichung. Es ist ein Ort der Pflicht und Aufgabe.“ Und weiter: „Mein Ziel ist, dass das Bundesverfassungsgericht seine Arbeit erledigen kann. Ich sitze vor allem hier am Schreibtisch und bearbeite Akten.“
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