: CDU mag es wild und gefährlich
Die Kriminalitätsrate ist erneut um fast 6 Prozent gesunken. Dennoch schlägt die CDU Alarm. Sie ruft wie immer nach mehr Polizei. Denn ihre Politik lebt von der Angst vor dem Verbrechen
VON PLUTONIA PLARRE
Die Höhepunkte im Leben eines Innenpolitikers der CDU sind rar gesät. Die Sicherheitspolitik der rot-roten Landesregierung gibt wenig Anlass zur Kritik. Selbst der 1. Mai lässt sich politisch kaum noch ausschlachten. Um so wichtiger ist da so ein Tag wie der gestrige, an dem der Innensenator und der Polizeipräsident die aktuelle Kriminalstatistik präsentierten. Da heißt es, zur Höchstform auflaufen. Schließlich behaupten die Konservativen immer, die besseren Sicherheitspolitiker zu sein. Zudem sind im Herbst Landtagswahlen und die Partei dümpelt in Umfragen um die 25 Prozent. Kein Wunder, wenn die Bevölkerung kaum noch Angst vor Verbrechen haben muss.
Das muss dem innenpolitische Sprecher der CDU, Frank Henkel, durch den Kopf gegangen sein, als Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses die Kriminalitätsstatistik 2005 vorstellte. „Wir haben die niedrigsten Zahlen seit 13 Jahren“, verkündete Körting wohlgelaunt. Im Vergleich zu 2004 ist die Zahl der erfassten Straftaten um 5,7 Prozent gesunken (siehe Kasten). Aber nicht nur das. Schon 2004 war ein Rückgang um 4,3 Prozent im Vergleich zu 2003 verzeichnet worden. Derselbe Trend sei auch in Hamburg und Brandenburg festzustellen, so Körting.
Den Ersten, den es von der Opposition ans Mikrofon drängte war der 42-jährige Diplomkaufmann Henkel. „Wer glaubt, die Stadt sei sicherer geworden, leidet unter Realitätsverlust oder er will die Menschen in der Stadt verarschen“, tönte der stämmige Berliner. Die Zahlen in der Statistik seien „geschönt“, behauptete Henkel. Sein Beweis: „Ich weiß genau, dass 2005 mindestens zwei Geldtransporter überfallen worden sind. Einer am 30. 8. und einer am 31. 5.“. Ausgewiesen seien in der Statistik aber nur ein Überfall. „Diese Zahl“, so Henkel, „kann nicht stimmen.“
Bezugnehmend auf eine Presserklärung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte Henkel: „Berlin ist der gefährlichste Ort in der Bundesrepublik.“ Die GdP macht für den Rückgang der Straftaten vor allem den Personalabbau bei der Polizei verantwortlich. So sieht es auch Henkel. Je weniger Beamte unterwegs seien, desto weniger könne kontrolliert werden. Dann würden auch weniger Straftaten auffallen. Henkel wörtlich: „Je weniger Polizei, je weniger bearbeitete Fälle, desto sicherer die Stadt.“ Letzteres war selbstredend ironisch gemeint.
Und noch etwas vermisst der CDU-Innenpolitiker in der Sonderauswertung des Polizeipräsidenten: dass die Exbewohner der Yorkstraße 59 das Rathaus Kreuzberg besetzt hätten und einen Anschlag von Autonomen auf ein Autohaus. Verglichen mit den Aufgaben des Innensenators ist die Welt von Frank Henkel ziemlich klein. Aber er zieht ein furioses Fazit: „Rot-Rot betreibt in der inneren Sicherheit eine Kahlschlagpolitik.“