american pie : Auf zu neuen Höhen
Um neue Märkte zu erschließen, hat die US-Profiliga der Baseball-Spieler so etwas wie eine Weltmeisterschaft ausgerufen
Der März ist ziemlich mild in Florida und Arizona. Die drückende Schwüle des Sommers hat noch nicht eingesetzt. Es herrschen also perfekte Bedingungen, um sich ganz entspannt auf eine neue Baseball-Saison vorzubereiten. In diesem Jahr allerdings läuft das traditionelle Spring Training längst nicht so relaxt ab wie gewohnt. Der Grund: die World Baseball Classic (WBC).
Die WBC ist der erste Versuch in der nun schon mehr als anderthalb Jahrhunderte währenden Geschichte des organisierten Baseballs, eine echte Weltmeisterschaft zu etablieren. Die bislang ausgespielte WM musste auf die Profis aus den Major Leagues (MLB) verzichten und wurde bislang von den Staatsamateuren aus Kuba dominiert. Bis zum Finale am 20. März in San Diego treten nun 16 Nationalmannschaften an, einige davon gespickt mit Stars, die in den USA Millionen verdienen.
Nun greifen also auch die Favoriten ins Geschehen ein. Drei der vier Vorrundengruppen beginnen heute in Puerto Rico, Arizona und Florida. Doch bereits das erste Wochenende war ein Erfolg: 40.353 waren in den Tokio Dome gekommen, um das letzte, bedeutungslose Gruppenspiel zwischen Japan und Korea zu sehen. Schon vor dem überraschenden 3:2-Sieg Koreas waren beide Teams für die zweite Gruppenphase qualifiziert – nach klaren Erfolgen gegen China und Taiwan. Mit der WMC will MLB-Boss Bud Selig neue Märkte erschließen. Vor allem die Chinesen haben es ihm angetan. Bislang spielen zwar gerade mal 156.000 in der Volksrepublik Baseball, aber das Vorbild Basketball ist verlockend: Dank dem in Houston tätigen Center Yao Ming haben NBA-Spiele dort gewaltige Einschaltquoten.
In den MLB-Klubs allerdings lässt die Unterstützung für die WBC zu wünschen übrig. Einer der lautstärksten Kritiker war George Steinbrenner, Boss des Branchenführers New York Yankees, die vier Spieler für die National-Kader der USA und Puerto Ricos abstellen mussten. Am Wochenende entschuldigte sich die Organisation offiziell bei den zu tausenden das Spring Training besuchenden Fans, dass sie auf einige der größten Stars verzichten müssen: Die Yankees hätten „nicht für die Veranstaltung gestimmt“ und „alle Beschwerden“ seien bitte direkt an die Verantwortlichen, also Selig und die Spielergewerkschaft, zu richten.
Den Klub-Besitzern macht zu schaffen, dass die Vorbereitung unterbrochen wird. Sie fürchten Verletzungen ihrer Zuschauermagneten. „Können sich Spieler etwa in der Vorbereitung nicht verletzen?“, konterte Selig, „Spieler können sich sogar verletzen, wenn sie nur die Straße entlanggehen.“ Kritik werde es immer geben, so Selig, und versprach blühende Landschaften: Die WBC sei „erst der erste Schritt, der unseren Sport zu Höhen führen wird, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“.
Vor allem Spieler aus Lateinamerika waren gerne bereit, Seligs Höhenflug mitzumachen. Ihre amerikanischen Kollegen waren nicht alle so begeistert: Buck Martinez, Manager von Team USA, musste feststellen, dass, als es konkret wurde, sich die Auswahl an geeigneten Kandidaten „dramatisch verkleinerte“. Trotzdem konnte er mit Derek Jeter, Alex Rodriguez, Johnny Damon oder Roger Clemens einige der klangvollsten Namen im Kader begrüßen.
So ist die USA nicht, wie man erwarten sollte, der eindeutige Favorit auf den Titel, denn die anderen Nationen können meist ihre Bestbesetzung aufbieten. Die Dominikanische Republik hat mit ihren Stars Vladimir Guerrero, David Ortiz, Albert Pujols und Miguel Tejada von der Papierform her sogar die größere Offensivkraft als die USA zu bieten, Venezuela mit Freddy Garcia, Johan Santana und Carlos Zambrano die besseren Anfangs-Pitcher. Und da Halbfinale und Endspiel in einer einzigen Partie – und nicht wie im Baseball sonst üblich in langen Serien über bis zu sieben Spiele – entschieden werden, ist alles möglich. Südafrika, die Niederlande oder Italien sind sicherlich chancenlos, aber schon vor dem heutigen Auftaktspiel gegen Mexiko, das mit einigen talentierten Profis aus der MLB antritt, muss sich die USA in Acht nehmen: „Wenn wir elfmal spielen, gewinnen wir wahrscheinlich zehnmal“, sagt US-Manager Martinez, „aber an diesem einen Tag kann alles passieren.“ Vielleicht sogar, dass Baseball eines Tages doch noch im Rest der Welt verstanden und geschätzt wird. THOMAS WINKLER