Kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Endlich wird er wirklich beweihräuchert: Heinrich Esser, lange vergessen, jetzt wieder entdeckt und ausgestellt in der neu eröffneten Galerie Elias am Leipziger Platz, in der es riecht wie in einer katholischen Kathedrale. Nach Weihrauch eben, der in einer Schale schwelt. „Bergung – Handel – Wiedereinbau“ lautet die Devise des Galeriebetreibers Olaf Elias mit seiner Firma „Historische Bauelemente“. Diesem Prinzip ist die Wiederentdeckung des Werks von Heinrich Esser zu verdanken, das sich auf einem Potsdamer Speicher fand. Auch einen amerikanischen Sammler gibt es, der es erwerben möchte: frühe Arbeiten aus den 20er-Jahren und dem Beginn der 30er-Jahre sowie ein Konvolut aus den späten 40er- und den 50er-Jahren. Nur die Frage des Wiedereinbaus ist noch nicht geklärt, denn Olaf Elias möchte, dass Essers Gemälde und Zeichnungen dauerhaft in Deutschland gezeigt werden. Schließlich steht sein Werk exemplarisch für eine Generation von Malern, die erst in der Nazizeit verfemt war und nach dem Krieg Schwierigkeiten hatte, Anschluss an die aktuelle Kunstentwicklung zu finden. Zu jung, um vor 1933 schon künstlerisch ausgereifte Arbeiten zeigen zu können, war ihre Karriere nach dem Krieg gebrochen.
Ausnahmslos Menschen und Menschengruppen bilden Essers Motive, zunächst noch von der flächigen Malweise des Symbolismus und des Jugendstils beeinflusst, dann als eine Verbindung aus Expressionismus und neusachlichem Realismus. In der DDR übermalt Esser den expressiven Gesichtsausdruck seiner Protagonisten ins freundlich Harmlose, doch in seiner Farbpalette zieht er nicht nach, sie bleibt zu düster. Trotz allen Bemühens: Esser wird auch kein sozialistischer Realist. Er ist kein großer Maler, aber ein ungewöhnlich plastisches Beispiel für die politischen und ästhetischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts.