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Archiv-Artikel

Aktive Väter? Fehlanzeige!

Um dem Ideal einer starken Frau gerecht zu werden, muss sich die Polin für die Familie und die Nation aufopfern

WARSCHAU taz ■ Frauen wollen alles: Job und Kind. Das ist in Polen nicht anders als in Deutschland. Doch wenn junge Polinnen im Internet nach „Familienplanung“ suchen, bekommen sie zwar rund 7.000 Treffer – allerdings fast ausschließlich zu Themen wie „natürliche Verhütung“ oder „katholische Kirche“. Fast nichts erfahren sie über Karrierechancen mit Babypausen oder zur Frage: „Wie organisiere ich den Berufsalltag mit einem Kleinkind?“

Zwar gesteht das Gesetz den polnischen Frauen einen Mutterschaftsurlaub von vier Monaten zu, hundertprozentige Lohnfortzahlung und danach noch einen zweijährigen Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie. Doch Frauen, die diesen zweiten Urlaub in Anspruch nehmen, stehen danach oft auf der Straße. „Der Mutterschaftsurlaub ist kein Problem für uns“, sagt Joanna Wolska, die Direktorin einer namhaften Werbeagentur. „Wenn dann aber noch ein zweijähriger Erziehungsurlaub dazukommt, nach dem wir die Frau wieder einstellen müssen, tun wir das natürlich. Das schreibt schließlich das Gesetz vor. Aber einen Monat später steht sie vor der Tür.“

Dass sich der Mann um das Kind kümmert, ist bis heute die große Ausnahme. Der Mythos der „Mutter Polin“ aus dem 19. Jahrhundert, der Mutter also, die ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellt und sich für Familie und Nation aufopfert, ist bis heute das polnische Idealbild einer starken Frau.

Die Gesellschaft ist daher noch immer sehr patriarchalisch strukturiert. Zwar setzt sich in der jungen Generation allmählich das partnerschaftliche Modell durch. Doch ein Mann, der Erziehungsurlaub für sein Kind nimmt, wird nach wie vor schief angesehen. Während der viermonatige Mutterschaftsurlaub gut geregelt ist und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen akzeptiert wird, steht es um den Erziehungsurlaub wesentlich schlechter.

Das monatliche Erziehungsgeld ist so niedrig, dass immer mehr junge Paare zunächst auf Nachwuchs verzichten. Anders als zu Zeiten der Volksrepublik sind Kinder in Polen heute ein teurer Luxus. Es gibt kaum noch Halbtagsstellen für Frauen, die meisten Krippen wurden geschlossen, Kindergärten kosten oft einen halben durchschnittlichen Monatslohn, und auch die Schulen verlangen immer wieder Geld – für Schulbücher, die Renovierung der Klassenzimmer, für ein Schulfest.

Die einmalige Geburtenprämie in Höhe von 250 Euro, die die neue nationalkonservative Regierung den polnischen Müttern seit Jahresbeginn auszahlt, reicht nicht einmal für einen Kinderwagen. Trotz eines äußerst strengen Abtreibungsgesetzes werden daher in Polen immer weniger Kinder geboren. Zu sozialistischen Zeiten, als in Polen noch ein äußerst liberales Abtreibungsgesetz galt, kamen bis zu 750.000 Kinder pro Jahr zur Welt.

Seit dem Rekordjahr 1983 sinkt die Geburtenrate und hat nach Inkrafttreten eines der schärfsten Abtreibungsgesetze Europas seinen Tiefstand erreicht. Heute liegt die Geburtenrate in Polen bei 1,3 Kinder pro Frau. Sie ist nach Slowenien die niedrigste in der ganzen EU. Die meisten polnischen Kinder wachsen inzwischen als Einzelkinder auf. Die „Mutter Polin“ ist längst in Rente gegangen.

GABRIELE LESSER